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Berlin: Gazeteler Rückblick: "Adieu Frankreich": Wie die Hürriyet Frankreich die Freundschaft kündigte

Jeden Montag im Tagesspiegel: Ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen."Nie und nimmer wird die Türkei das verzeihen", hat die Tageszeitung Hürriyet am Sonnabend geschrieben, nachdem die französische Nationalversammlung am Donnerstag ein Gesetz verabschiedet hatte, in dem es heißt, dass "Frankreich den armenischen Völkermord anerkennt.

Jeden Montag im Tagesspiegel: Ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen.

"Nie und nimmer wird die Türkei das verzeihen", hat die Tageszeitung Hürriyet am Sonnabend geschrieben, nachdem die französische Nationalversammlung am Donnerstag ein Gesetz verabschiedet hatte, in dem es heißt, dass "Frankreich den armenischen Völkermord anerkennt." Seitdem darf in Frankreich niemand leugnen, dass hunderttausende anatolische Armenier, die während der Zwangsumsiedlungen 1915 ums Leben kamen, bei Massakern der osmanischen Armee und der Bevölkerung ums Leben kamen. Die türkische Regierung bestreitet das seit Jahrzehnten beharrlich, obwohl es Zeitzeugenberichte gibt. In dicken fetten Buchstaben kündigte die Hürriyet wegen des Gesetzes nun den Franzosen die Freundschaft: "Adieu Frankreich", lautete die Überschrift. Ebenso empörte sich das Blatt, dass die französische Zeitung "Le Figaro" eine Anzeige, mit der Türken die Franzosen zu Besonnenheit aufrufen wollten, nicht veröffentlichen wolle. Aber gleichzeitig habe das Blatt ein Interview mit korsischen Anarchisten veröffentlicht. "Schäm Dich, Figaro", lautete deshalb die Überschrift zu dem Text.

Auch die Tageszeitung Türkiye titelte am Sonnabend: "Wir werden das nie verzeihen", und die Töne in dieser Zeitung sind noch schärfer. Das Blatt berichtete zum Beispiel, dass am Freitag einige Mitglieder eines - als rechts-national geltenden - türkischen Vereins vor der Französischen Botschaft in Berlin einen schwarzen Kranz niedergelegt hätten. Der Vorsitzende des Vereins habe in einem Brief an den französischen Botschafter errechnet, dass Frankreich in der Zeit von 1956 bis 1962 insgesamt 1,5 Algerier umgebracht habe. Genauso viele Opfer beklagen im Übrigen auch die Armenier. In dem Brief erinnere der Verein auch daran, dass 1915 englische, russische und französische Soldaten türkische Soldaten von hinten erschossen, Dörfer überfallen und Frauen und Kinder ermordet hätten. Ein Kommentator fragte zudem: "Wofür halten sich diese Europäer eigentlich?"

Die Hürriyet berichtete über die Kranzniederlegung gar nicht. Allerdings meinte der Chef-Kommentator der Zeitung Ertug Karakullukçu am Freitag sinngemäß: "Immer auf die Türken." Die Europäer schubsten die Türkei regelrecht weg, wo sie doch noch bis vor kurzem erklärt hätten, dass Europa auf die Türkei nicht verzichten könne. Allerdings plädierte ein anderer Kolumnist in seinem Kommentar indirekt dafür, dass die Türkei sich bei den Armeniern entschuldige, ohne jedoch einen Völkermord einzugestehen.

Am Sonnabend schließlich erreichte eine Erklärung des Vereins "Türkische Minderheit" die Tagesspiegel-Redaktion. Darin heißt es, dass das französische Parlament mit dem "Armenischen Entwurf" einen historischen Fehler begangen habe. Der Verein in der Neuköllner Wissmannstraße behauptet, dass "diese Meinung" keinen historischen und wissenschaftlichen Boden habe.

Seitenaufmacher der Europaseiten war in diesen Tagen unter anderem der Neujahrsempfang von Bundespräsident Johannes Rau, weil unter den geladenen Gästen auch vier Türken - darunter auch einer aus Berlin - waren. Ebenso viel Platz wurde dem Treffen des Präsidenten mit den ausländischen Diplomaten eingeräumt. Auf dem dazugehörigen Foto in der Türkiye sah man, wie Johannes Rau dem türkischen Botschafter die Hand schüttelt. Botschafter Osman Korutürk habe dem deutschen Bundespräsidenten dafür gedankt, dass er sich auch für Türken engagiert.

Suzan Gülfirat

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