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Berlin: Gazeteler Rückblick: Schröders Ansprache ohne Ausländer

Jeden Montag im Tagesspiegel: Ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen.Das Bundespresseamt kann seit kurzem keine türkischen Zeitungen mehr lesen.

Jeden Montag im Tagesspiegel: Ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen.

Das Bundespresseamt kann seit kurzem keine türkischen Zeitungen mehr lesen. Bisher hatte das Zentrum für Türkeistudien (ZfT) in Essen Texte aus türkischen Zeitungen für die Regierungsmitarbeiter übersetzt. Diese Dienstleistung des ZfT wurde jedoch jetzt von der Regierung eingespart. Schauen wir mal nach, ob und was das Amt verpasst. "So geht das nicht Herr Bundeskanzler", titelte die Milliyet am Montag auf ihrer Europa-Seite. "Das geht nicht Herr Schröder", hieß es schon auf der Titelseite. Die Tageszeitung beschwerte sich darüber, dass Kanzler Schröder in seiner Neujahrsbotschaft "die Migranten in seinem Land vergessen hat". "Lag das etwa an der Europa-Aufregung?", fragte das Blatt ironisch. "In der Neujahrsbotschaft, in der er die Ausländer vergessen hat, redete er insbesondere über die europäische Währung Euro." Die Milliyet druckte auch die Rede von Bundespräsident Johannes Rau ("Deutschland ist ein Einwanderungsland") und die Rede des türkischen Botschafters, Osman Korutürk, ("Wir müssen gebildete Jugendliche erziehen") ab.

Der Boulevardzeitung Hürriyet muss die Rede des Kanzlers entgangen sein. Sie veröffentlichte am Montag nur die Rede des Bundespräsidenten. Dafür veröffentlichte die Zeitung am Dienstag auf ihrer Seite "Pressespiegel in Europa" den Kommentar der Frankfurter Rundschau: "Hat der Kanzler wirklich nichts zu sagen zu Arbeitslosigkeit, Renten, Asyl und Zuwanderung", fragte der Kommentator der FR. "Schröders Neujahrsansprache", titelte die Hürriyet auf Deutsch dazu. Der "Pressespiegel Europa" erscheint seit kurzem täglich auf Deutsch in der Hürriyet und besteht hauptsächlich aus Textpassagen deutschsprachiger Zeitungen.

Die Tageszeitung Türkiye hat keine der Reden veröffentlicht. Statt dessen veröffentlichte das Blatt am 1. Januar die Aufforderung des Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche, Manfred Kock, die "Moslems nicht auszugrenzen". Auch sonst beging das Blatt den Jahreswechsel züchtig. Es gab keine Bilder von ausschweifenden Festen der Türken. Statt dessen berichtete die Zeitung von Diskussions-Veranstaltungen in den Moscheen in Deutschland und sagte dem Euro "Merhaba", so wie die anderen beiden Zeitungen auch.

Die Hürriyet forderte ihre Leser bereits im alten Jahr auf, zu sündigen. Auf Kanal D (ein für türkische Verhältnisse recht freizügiger Sender) laufe die Mega-Silvesterparty, hieß es. Am ersten Tag des Jahres zeigte dann sowohl die Hürriyet als auch die Milliyet Bilder von feiernden Menschen. Die Milliyet berichtete von der "Ibo-Freude in Berlin." Der beliebte türkische Volkssänger war vorletztes Wochenende in der Max-Schmeling-Halle aufgetreten. 7000 Besuchern seien gekommen. Harald Schmidt habe aufgrund von Terminschwierigkeiten abgesagt. Deshalb habe "Ibo" den Sat 1-Entertainer, ihn dessen Sendung er vor drei Jahren aufgetreten war, in die Türkei eingeladen. Ein Wermutstropfen gab es für die Milliyet trotz aller Fröhlichkeit. Die Zeitung war enttäuscht, dass unter den ganzen Neujahrbabys in Berlin kein einziges türkisches dabei war.

Suzan Gülfirat

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