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Berlin: Gazeteler Rückblick: Sprachappell an türkische Kinder und der peinliche Streit über die deutsche Einheit

Am Donnerstag berichtete Hürriyet über Sprachprobleme von türkischen Kindern an einer Grundschule. 145 der 170 Schüler seien Türken, hieß es in dem Text auf der Titelseite des "Nord Spezial", könnten aber kaum Türkisch.

Am Donnerstag berichtete Hürriyet über Sprachprobleme von türkischen Kindern an einer Grundschule. 145 der 170 Schüler seien Türken, hieß es in dem Text auf der Titelseite des "Nord Spezial", könnten aber kaum Türkisch. Das "Nord Spezial" ist eine täglichen Beilage mit Nachrichten aus Norddeutschland und Dänemark. Die betreffende Schule steht zwar in Hamburg-Wilhelmsburg, aber das Problem gibt es auch anderswo. Selman Tarhan, bei der türkischen Botschaft für Erziehung zuständig, stattete der Schule einen Besuch ab. Nachdem sie sich über die Sprachkenntnisse der Kinder in der vierten und fünften Klasse erkundigt habe, sei sie erschüttert gewesen. Nur 40 der 145 türkischen Kinder besuchten den Türkischunterricht des Generalkonsulats am Nachmittag in dieser Schule. Deshalb machte die Zeitung ihren "goldenen Ratschlag an die Schüler" zur Überschrift: "Kinder, vernachlässigt Euer Türkisch nicht." Im Text wird Selma Tarhan folgendermaßen zitiert: "Wer seine Muttersprache kann, kann die zweite und dritte Sprache noch viel besser erlernen." Wer mehrere Sprachen spreche, hätte später Vorteile bei der Lehrstellensuche. "Es liegt in der Hand der Eltern, den Kindern unsere Muttersprache beizubringen", wird sie weiter zitiert. Zum Schluss rät sie den Eltern, mit dem Erziehungsattaché des türkischen Konsulats und den türkischen Lehren zusammenzuarbeiten.

Der Generalkonsul in Berlin macht jetzt angesichts der hohen Anzahl an türkischen Kindern, die ohne Abschluss die Schule verlassen, bei einer Aktion der Senatsschulverwaltung mit. Mit dem Rundschreiben will er in nächster Zeit das Bildungsbewusstsein der türkischen Eltern verstärken, damit die Kinder früher anfangen, Deutsch zu lernen. Auch er bietet türkischen Kindern nachmittags muttersprachlichen Unterricht in deutschen Schulen an, und auch dieser wird nur mäßig besucht. Über die Aktion der Schulverwaltung haben die Zeitungen noch nicht berichtet, aber über Veranstaltungen an anderen Orten, bei denen über die Sprachprobleme von türkischen Kindern beziehungsweise über die Erhaltung des Türkischunterrichts diskutiert wurde.

Der groß aufgemachte Text der Hürriyet umfasste allerdings fast die ganze Titelseite des "Nord Spezial". Die Überschrift war zweizeilig und in riesigen Buchstaben gedruckt. Dazu wurde ein großes etwas kitschiges Farbfoto von dem lächelnden Attaché in dem fast leeren Klassensaal gezeigt. Dem Leser drängte sich beim Betrachten der Verdacht auf, dass auch mit dem Erwerb der deutschen Sprache, die Probleme dieser Kinder nicht gelöst sein werden.

Im Vorfeld der Einheitsfeier gab es nur am Sonnabend Berichte. Die Zeitungen haben den Streit zwischen CDU und SPD über das Maß ihres Engagements bei der Wiedervereinigung aufgegriffen. "Wiedervereinigungs-Streit im deutschen Parlament", titelte Hürriyet. Und Milliyet schrieb: "Sie konnten die Vereinigung nicht aufteilen." Das ist im Türkischen eine Redewendung, die angewendet wird, wenn Leute nicht teilen können und sich damit - aus türkischer Sicht - raffgierig offenbaren. Das empfinden die Türken als peinlich.

Suzan Gülfirat

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