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Berlin: Gebügelte Wimpern

Make-up für den ganzen Körper in Mitte

Mitte ist wild und verrucht, das weiß man ja. Wie aber schafft man es, darin einen unschuldigen Gesichtsausdruck zur Schau zu tragen? Ganz einfach. Man bügelt seine Wimpern. Sind sie erst mal glatt wie Zahnstocher, kann Lolita einpacken. Gefeiert wurde am Mittwoch die Eröffnung eines „Flagship Stores“ in der Rosenthaler Straße. Dieser heißt M.A.C. und gehört zu einem amerikanischen Kosmetik-Unternehmen, das vor allem aus Philosophie besteht, aber trotzdem Platz für Kasse und Regale hat. „It’s a soulful company“, sagt Unternehmenschef John Demsey und redet über Kunst und Kunstfertigkeit. Ob Seele oder nicht, M.A.C. zählt zu jenen erfolgreichen Geschäftsideen aus den 80er Jahren, die es in kürzester Zeit geschafft haben. Mädchen mit langen, frisch geföhnten Haaren und einem Make up, dessen natürliches Aussehen die stundenlangen Vorarbeitungen Lügen straft, gleiten mit blutroten Strawberry-Daiquiris durch den illuminierten Hinterhof. Auf Trommelbühnen vor sich schnell drehenden Rädern tanzen fast nackte, dafür aber gut gebaute Menschen, die nach Künstlerentwürfen bunt bemalt sind. Von Elvira Bach etwa stammt die Frau in Pink und Schwarz die sich ekstatisch zu den House-Music-Klängen bewegt.

„Naked Spin“ heißt das und gilt als megahip. Dann gibt es da noch die wirklich nette Starvisagistin, Sharon Dowsett mit den stelzenhohen Schuhen. Sie kennt die allerheißesten Fashiontrends. In der Regel bügelt man glücklicherweise nicht die eigenen Wimpern, sondern die „Falsies“, die Zweitexemplare, die hier auch in Blau und Pink ausliegen. Lachsspieße werden in amerikanischen Wassergläsern serviert, Make-Up-Artisten tragen so genannte Werkzeuggürtel und dazu eine Kompetenzmiene, die so rührend wirkt, dass sie gar keine glattgebügelten Wimpern mehr bräuchte. Trendy sind die rauchigen Augen der 60er Jahre und ein Aussehen wie am dritten Urlaubstag. Limettenfarbener Lidschatten ist erlaubt, aber dann müssen die Lippen so aussehen, wie von Mutter Natur höchstpersönlich geschaffen, auch wenn es vielleicht drei verschiedene Stifte braucht, bis man sie so hinkriegt. Goldener Lidschatten, der sich wie eine venezianische Maske aufs Gesicht legt, passt zu goldenen Lippen. Zahnseide hilft dabei, den Augen jenen speziellen Ausdruck zu geben, den sie sonst nur bekämen, wenn man mit Make up geschlafen hat. Hohe Kunst. Am lustigsten ist es, wenn die Visagistin davon schwärmt, was für ein riesengroßer Spaß es sei, Frauen hübsch zu schminken. Bei manchen Designern geht das nämlich wieder. Es ist wirklich nichts mehr selbstverständlich auf der Welt. Elisabeth Binder

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