zum Hauptinhalt
Platz für Rio. Nach Sänger Rio Reiser könnte der Heinrichplatz benannt werden.

© Foto Mike Wolff, Montage: Martin Büder

Gedenken an Rio Reiser in Kreuzberg: Bezirksverordnetenversammlung soll über Straßenumbenennung abstimmen

Eigentlich soll der Bezirk Straßen nur nach Frauen benennen. Doch für Rio Reiser wird wohl eine Ausnahme gemacht – wenn alles klappt, schon im nächsten Jahr.

Ende 2018 sah es so aus, als könnte alles ganz schnell gehen. Nachdem die Bezirksverordnetenversammlung im September entschieden hatte, den 1996 verstorbenen Sänger Rio Reiser „angemessen zu ehren und darüber hinaus an sein gemeinsames Wirken mit der Band Ton Steine Scherben in Kreuzberg zu erinnern“, wurde das Ergebnis einer schriftlichen Befragung von 5000 Kreuzbergern veröffentlicht.

33 Prozent der knapp 1000 Teilnehmer sprachen sich dabei für die Umbenennung des Heinrichplatzes in Rio-Reiser-Platz aus, 25 Prozent votierten für eine Umbenennung des nördlichen Mariannenplatzes, wo Reiser den „Rauch-Haus-Song“ komponiert hatte, eine bis heute aktuelle Hymne der Hausbesetzerszene. Und weil auch eine große Mehrheit der übrigen Teilnehmer eine Ehrung Reisers unterstützte, schien klar: Bis zur Umsetzung des Schrittes kann so viel Zeit nicht mehr vergehen.

Tatsächlich passiert ist seitdem jedoch wenig: Zwar gründete sich eine Arbeitsgruppe auf Bezirksebene, zu der neben „Scherben“-Mitglied Kai Sichtermann auch Reisers Bruder Gert C. Möbius sowie weitere Vertraute gehören. Diese tagte bislang jedoch erst drei Mal, zuletzt am vergangenen Dienstag. Immerhin: Die Marschroute steht.

[Berlin bis in den Kiez: Die Leute-Newsletter aus den Berliner Bezirken gibt's gratis vom Tagesspiegel, und zwar hier: leute.tagesspiegel.de]

Am Abend des 7. November sollen alle auf dem Tisch liegenden Vorschläge zur Ehrung Reisers erst vor- und dann zur Abstimmung gestellt werden. Neben der Umbenennung eines Platzes werden die Errichtung eines Denkmals oder einer Gedenkinstallation sowie die Schaffung eines Rio-Reiser-Parks in Betracht gezogen.

Es folgt eine Beschlussempfehlung des Kulturausschusses, ehe die Abgeordneten der BVV die endgültige Entscheidung darüber treffen, welche Form des Gedenkens umgesetzt wird. Geht alles glatt, könnte der 2017 angeschobene Prozess in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres seinen Abschluss finden. 2020 wäre Rio Reiser 70 Jahre alt geworden.

Band-Mitglied bevorzugt Umbenennung des Heinrichplatzes

Für Kai Sichtermann, 1970 gemeinsam mit Reiser Mitbegründer der „Scherben“, steht der Wunschtermin schon fest. Am 12. September planen er und die übrigen Mitglieder der Band eine große Party anlässlich ihres 50. Geburtstags, inklusive Konzert im bereits gebuchten „SO36“ sowie einer Ausstellung und Kiezführung an ehemalige Wirkungsstätten der Gruppe. „Das wäre doch schön“, sagt er, dem der Gedanke gefällt, an diesem Tag einen offiziellen Gedenkort zu Ehren Rio Reisers einweihen zu können, und benennt auch ganz klar seine Präferenz: „Ich würde die Umbenennung des Heinrichplatzes favorisieren“, sagt Sichtermann.

Mit seinem Votum für die Umbenennung des Heinrichplatzes steht Sichtermann nicht allein. Auch Werner Heck, Grünen-Fraktionsmitglied in der BVV und Vorsitzender des Kulturausschusses, spricht sich für diesen Vorschlag aus.

Angesichts der im Dezember präsentierten Ergebnisse der Umfrage laufe es auf eine Umbenennung hinaus, erklärt Heck und fügt hinzu, dass im Fall des Heinrichplatzes die Gefahr der Klage durch Anwohner nur gering sei. Tatsächlich haben laut Auskunft aus dem Bezirksamt nur ansässige Mieter, Gewerbetreibende oder Eigentümer Klagerecht gegen eine mögliche Umbenennung. Da der Heinrichplatz, im Gegensatz zum ebenfalls zur Diskussion stehenden Mariannenplatz, keine Wohnadresse beinhaltet, sinkt die Gefahr der Verzögerung durch mögliche Klagen.

Bezirksstadträtin Herrmann zeigt sich optimistisch

Bleibt die Frage nach der Realisierbarkeit: Clara Herrmann (Grüne), für den Bereich Kultur zuständige Bezirksstadträtin, zeigt sich vorsichtig optimistisch. Erfahrungen aus der Vergangenheit hätten gezeigt, dass ein Jahr für die Umbenennung einer Straße ausreichen kann, erklärt Herrmann mit Blick auf die Silvio-Meier-Straße in Friedrichshain. Dort habe der Prozess „ziemlich genau ein Jahr gedauert“, und das trotz Klageankündigung, die dann aber nicht wahrgemacht worden sei, sagt Herrmann.

In die Entscheidungsfindung möchte sie aber nicht eingreifen. „Das ist ein partizipatives und offenes Verfahren und ich bin selbst sehr gespannt darauf, was am Ende dabei herauskommt“, erklärt Herrmann und fügt hinzu: „Die Positionierung des Kiezes ist wichtig, sie wird in der Abwägung der BVV eine gewichtige Rolle spielen.“

Darüber hinaus wird sich die BVV mit der Frage beschäftigen müssen, wie sie eine Ausnahme von einer seit 2005 im Bezirk geltenden Grundregel begründet. Sie besagt, dass Straßen und Plätze bei Um- und Neubenennungen nur noch weibliche Namen tragen dürfen. Herrmann erklärte, darüber in der BVV debattieren zu wollen, genau wie bei anderen Ausnahmen auch. 2005 wurde aus weiten Teilen der Kochstraße die Rudi-Dutschke-Straße, seit April 2013 heißt die frühere Gabelsbergerstraße Silvio-Meier-Straße.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false