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Berlin: Gedenktafel: Dreimal Hermann Prey: Erinnerung an prominente Berliner, von denen einer als Sänger weltberühmt wurde

Die Löwen sind weg. Keiner weiß, wie es geschah.

Die Löwen sind weg. Keiner weiß, wie es geschah. Früher hielten die beiden steinernen Ungetüme rechts und links vom Eingang der Löwenvilla in Hohenschönhausen Wache. Kammersänger Hermann Prey (1929 - 1998) kam jedesmal an ihnen vorbei, als er noch ein kleiner Junge war und seine Großeltern in Hohenschönhausen besuchte. Doch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verlor die Familie Prey die Villa in der Manetstraße 54. Soldaten der Roten Armee zogen Zäune ums Sondergebiet Hohenschönhausen, und irgendwann wurde die Freitreppe mit den Löwen abgerissen. Es vergingen viele Jahre, bis Mitglieder der Familie Prey wieder einen Fuß auf das Grundstück setzten.

Montag, früher Nachmittag. Fast alle sind wieder da. Anlass ist die feierliche Enthüllung einer Gedenktafel, die an den weltbekannten Sänger und an seinen Vater und Großvater erinnert. "Hermann Prey 31.7. 1869 - 10.3. 1944 / Hermann Prey 20.9. 1901 - 26.1. 1968 / Prof. Hermann Prey 11.7. 1929 - 22.7. 1998", so steht es auf einer kleinen Bronzetafel an der rechten Vorderseite des Hauses. Stifterin ist Anna Paulich, die jüngere Schwester des Kammersängers. "Ich kam vor zwei Jahren auf die Idee", sagt sie und demonstriert stolz eine festlich geschmückte Kaffeetafel im ehemaligen Salon. Dort wird am Nachmittag im Familienkreis der dritte Geburtstag von Hermine Coenders gefeiert. Hermine, ein niedlicher Blondschopf, versteht zwar die Aufregung unter den Erwachsenen nicht so recht. Aber als jüngstes Mitglied der Familie Prey lässt sie sich von den vielen Kameras und den Fragen der Reporter nicht durcheinanderbringen. Hermine hat wie Hermann Prey sen. (der Großvater des Sängers) am 31. Juli Geburtstag. Darum das Datum.

Nach dem Willen der Stifterin soll die Gedenktafel daran erinnern, dass Hermann Prey sen. im Jahr 1926 nach Berlin kam und die Löwenvilla als Wohnhaus für sich und seine Familie erwarb. Der Name Prey stand zu dieser Zeit noch nicht für schön gesungene Opernarien und Lieder, sondern für den Fleischgroßhandel Prey und Söhne. Nach dem Tod der Großvaters im Jahr 1944 übernahm der Vater des späteren Kammersängers das Geschäft. Nach Kriegsende verließ die Familie fluchtartig den Ostteil der Stadt und siedelte sich im britischen Sektor an. Hermann Prey, der als Sänger und Hochschullehrer Karriere machte, kehrte Berlin ganz den Rücken und lebte im oberbayerischen Krailing. Dort wohnt seine Witwe Barbara bis heute.

Nach Hohenschönhausen ist Barbara Prey nicht gekommen. Der Grund ist nicht völlig sicher, aber in die feierliche Stimmung mischt sich an diesem Nachmittag so mancher Misston. "Es wäre doch schöner gewesen, es an Hermanns Geburtstag zu machen", sagt Doris Schulz. Frau Schulz ist Barbara Preys Cousine und lebt wie ein größerer Teil der Familie im Westteil Berlins. "Da will sich jemand im Ruhm seines Bruders sonnen", sagt sie und meint damit Preys Schwester Anne. Frau Schulz glaubt, dass Barbara Prey im fernen Krailing zu spät eingeladen wurde. "Vor drei Wochen, das war zu knapp", sagt sie. Die Schwester will das keineswegs auf sich sitzen lassen und weist alle Vorwürfe der Cousine zurück. Diese quittiert das, indem sie den Sektempfang in der Löwenvilla (heute "Villa Magnet") boykottiert. Es ist eine ziemlich peinliche Szene, doch die Beteiligten lassen sich nicht irritieren. Wirtschaftsstadtrat Matthias Stawinoga, der im Auftrag des Bezirks Hohenschönhausen Hände drücken und ein paar Sätze reden muss, zeigt diplomatisches Feingefühl: Er tut so, als wenn gar nichts wäre und zieht mit geübtem Griff die Hülle von der Gedenktafel.

Wenige Minuten später sieht es vor dem Haus Manetstraße 54 wieder aus wie immer. Hinter den Fenstern im Erdgeschoss sind Preys Verwandte und Schulfreunde zu sehen, wie sie lächelnd mit einem Glas Sekt anstoßen.

Michael Brunner

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