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Berlin: Gedichte, vorgetragen wie Musik

Wie wirkt ein Gedicht? Durch seinen Inhalt?

Wie wirkt ein Gedicht? Durch seinen Inhalt? Seine Sprachmelodie? Seinen Rhythmus? Sirkka Knuttila aus Finnland wird in der Nacht der Poesie ihre Werke so vorlesen, wie sie sie geschrieben hat, also auf finnisch. Für die Zuhörer, die dieser Sprache nicht mächtig sind, wird das unter Umständen eine ganz neue Art von Erlebnis sein. Wenn sich am 6. Juli poetisch ansprechbare Menschen vor dem Weinhaus Huth auf dem Potsdamer Platz versammeln, können sie sich genau mit dieser Frage auseinander setzen. Bereits zum dritten Mal findet das Poesie-Festival Weltklänge statt, und auf Teilnehmer der früheren Jahre hat das gewirkt wie „ein Konzert der Stimmen, wie Musik". Dass sich bis zu 3000 Menschen in der Mitte der Stadt versammeln, nur um Gedichte in Originalsprache zu hören, hat selbst Fans überrascht.

Das Lyrikfestival der literaturWerkstatt Berlin wird unterstützt von Daimler-Chrysler und reiht sich so ein in das Kuturkonzept, mit dem der Potsdamer Platz auch jenseits staatlicher Förderung belebt werden soll. Grundsätzlich mischt sich das Unternehmen nicht in Inhalte ein, macht keine Vorgaben bei der Förderung, sagt Ute Wüest von Vellberg, die im Haus Huth zuständig ist für Kultur und Kommunikation. „Allerdings legen wir Wert darauf, dass eine Brückenfunktion ausgefüllt wird, dass die Projekte, die wir fördern wie Botschafter wirken." Bei Weltklang trifft das aus ihrer Sicht besonders gut zusammen, denn „dieses Festival nimmt auf tolle Art und Weise das Thema Globalisierung auf“. Solange die öffentlichen Mittel für Kultur so knapp sind, ist das Engagement großer Unternehmen eine wichtige Ergänzung. Für Manfred Gentz, bei Daimler-Chrysler zuständiges Vorstandsmitglied für den Potsdamer Platz, unterstreicht die Veranstaltung „Berechtigung und Notwendigkeit regionaler Eigenheiten und trägt zum Verständnis für Fremdartiges und Neues bei“. Es ist nicht die einzige gesponsorte Kulturveranstaltung, die in diese Richtung weist.

Im Haus Huth gibt es eine Ausstellung „Private Corporate", in der derzeit täglich zwischen 11 und 19 Uhr Werke aus der Sammlung Daimler-Chrysler und aus der Sammlung Paul Maenz besichtigt werden können, unter anderem von Andy Warhol, Anselm Kiefer, Mathieu Mercier und Giovanni Anselmo. Es ist dies der Auftakt zu einer Reihe von Ausstellungen, in denen jeweils die Sammlung Daimler-Chrysler in einen Dialog mit europäischen Privatsammlungen tritt. Besucher des Potsdamer Platzes sollen hier einen ruhigen Kontrast- und Rückzugsort zur Konsumwelt draußen finden.

In diesen Kontext von anspruchsvollem Rückzug und der Entwicklung von Visionen ist auch der International Dialogue Berlin eingebettet, der am 8. Juli in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) zum dritten Mal stattfindet und diesmal unter dem Titel „Poverty and Violence - Solutions in a Global Compact“ steht. Dabei sollen sich internationale Entscheidungsträger treffen, um eine globale Netzwerkbildung zu fördern.

Das passiert, auf einer ganz anderen Ebene, sicher auch beim Poesiefestival. „In anderen Kulturkreisen ist die Stimme des Dichters als Instrument nie abhanden gekommen, wie das bei uns seit der Aufklärung der Fall war. Dass wir sie nun wiederentdecken, das begeistert“, sagt Thomas Wohlfahrt, Leiter der literaturWerkstatt.

In einem eigens für den Abend des Lyrikfestivals produzierten Begleitbuch kann man übrigens nachlesen, was Sirkka Knuutila da vorträgt: „selbst kannst du dein Rätsel in der Wasserdämmerung/ unter weißen Rosetten, gedehnten Stängeln der Seerosen lesen". So kommt über die Lektüre zum Rhythmus der Inhalt doch noch hinzu. Elisabeth Binder

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