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Berlin: Gefährliches Terrain

Gibt es No-Go-Areas für Ausländer? Uwe-Karsten Heye, Ex-Sprecher der Bundesregierung, warnt – und die Politik ist empört

Gut drei Wochen vor Eröffnung der Fußball-Weltmeisterschaft ist erneut eine Diskussion über „No-Go-Areas“ in Berlin und Brandenburg, in denen ausländische und dunkelhäutige Menschen Angriffe von Neonazis befürchten müssen, ausgebrochen. Ausgelöst wurde sie durch Äußerungen des früheren Sprechers der Bundesregierung Uwe-Karsten Heye. Dieser hatte in einem Interview gesagt, es gebe kleine und mittlere Städte in Brandenburg und auch anderswo, wo ein andersfarbiger Fußball-Tourist lieber nicht hingehen sollte. Er würde sie „möglicherweise lebend nicht wieder verlassen“, sagte Heye, der Vorsitzender der Initiative „Gesicht zeigen! Aktion weltoffenes Deutschland“ ist. Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Sebastian Edathy, unterstützte Heye und sagte: „Ich kann die Warnung durchaus nachvollziehen.“ Er selbst habe eine dunkle Hautfarbe und würde sich nachts nicht in eine S-Bahn nach Berlin-Treptow setzen.

Während in Brandenburg nach Heyes Äußerungen ein Sturm der Entrüstung losbrach, äußerte Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) Verständnis für bestehende Ängste. „Mir ist es aber wichtig, Gegenstrategien zu entwickeln, statt einzelne Orte zu stigmatisieren, indem man sagt, dass man sich dort nicht hintrauen kann.“ So verschaffe man den Rechten genau den gewünschten Erfolg. Körting sagte, dass er noch vor Beginn der WM das Gespräch mit dem Afrikarat und der Internationalen Liga für Menschenrechte suchen wolle. Beide Organisationen hatten nach dem Angriff auf Ermyas M. in Potsdam angekündigt, eine Broschüre mit No-Go-Areas herauszugeben.

Laut Polizei hat es 2005 in Berlin 18 fremdenfeindliche Gewalttaten gegeben. „Jede Tat ist eine zu viel, aber man kann daraus nicht auf eine generelle Gefährdung in einzelnen Gebieten schließen“, sagte Körting. In Brandenburg registrierte die Polizei 97 rechtsextreme Gewalttaten, davon 31 mit fremdenfeindlichem Hintergrund. Der Verein Opferperspektive spricht hingegen von 128 rechtsextremen Gewalttaten. Die Differenz erklärt die Polizei damit, dass nicht jede Tat zur Anzeige gebracht wird.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hatte Heye „Verunglimpfung ganzer Regionen in Brandenburg“ vorgeworfen, „die durch nichts zu rechtfertigen ist“. Heyes Warnung an WM-Touristen aus anderen Ländern vor Besuchen in deutschen Kleinstädten „hilft niemandem und stellt die erheblichen, auch von Erfolgen gekennzeichneten Bemühungen in Brandenburg um mehr zivilgesellschaftliches Engagement in Abrede, ja gefährdet sie sogar“. Heye, der sich große Verdienste um die Aufklärungsarbeit für mehr Toleranz gerade in Brandenburg erworben habe, „müsste es besser wissen“.

Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sprach von einer „unglaublichen Entgleisung“. Es gebe keine Erkenntnisse und keine Zahlen, die Heyes schwer wiegende Behauptungen belegten, dass Ausländer in Brandenburg um ihr Leben fürchten müssten. Er habe mit Landräten und Bürgermeistern gesprochen, „aber es gibt niemanden, der das bestätigt“. Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD), zugleich Präsident des Brandenburger Tourismusverbandes, nannte es gefährlich, „Szenarien herbeizureden, die mit den Realitäten nicht übereinstimmen“.

Nach den heftigen Reaktionen auf seine Äußerungen sagte Heye am Nachmittag gegenüber dem Tagesspiegel, er habe Brandenburg nicht stigmatisieren wollen. Gebiete, in denen es zu rassistischer Gewalt komme, gebe es aber dort wie auch in „Thüringen, Sachsen oder anderswo“. Er hob zudem hervor, dass es in Brandenburg ein „besonders ausgeprägtes politisches und pädagogisches Engagement im Kampf gegen den Rechtsextremismus“ gebe. Der frühere Regierungssprecher sagte, fremdenfeindliche Übergriffe in Deutschland dürften nicht bagatellisiert werden und die Mehrheitsgesellschaft trage die Verantwortung, dass das Motto der Fußball-WM „zu Gast bei Freunden“ für jeden Besucher gelten müsse.

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