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Müssen Kinder in der Schule auf das Internet vorbereitet werden?

© dpa

Gefahren im Internet: Damit es Klick macht

Im Internet können Kinder leicht an illegale Angebote geraten – und ihre Eltern in finanzielle Not bringen Müssen die Schulen Heranwachsende mit einem neuen Fach auf Risiken vorbereiten? Ein Pro und Contra.

Ein Zwölfjähriger surft im Netz, findet Musik und klickt auf „free download“, insgesamt 295 Mal. Kurze Zeit später bekommen seine Eltern Post vom Anwalt. Der Zwölfjährige hat gegen das Urheberrecht verstoßen – ohne es zu wissen. Es hieß ja: „free download“.

Wie und wo sollen Kinder lernen, mit dem Internet umzugehen? Wer soll sie hinweisen auf betrügerische Seiten und illegale Angebote? Der Fall des Zwölfjährigen aus Zehlendorf hat diese Fragen erneut aufgeworfen. Müssen Eltern besser aufpassen? Oder ist es Sache der Schulen, Kindern Medien- und Internetkompetenz beizubringen? „Medienkompetenz ist eine Schlüsselkompetenz und gehört deshalb in die Schulen“, sagt Mieke Senftleben, bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Angebote in Jugendzentren gingen nicht weit genug, denn diese seien freiwillig. „Wir müssen alle Kinder erreichen.“ Die FDP hatte kürzlich im Abgeordnetenhaus den Antrag eingebracht, einen sogenannten Medienführerschein in den Schulen einzuführen. „Das muss ja kein neues Schulfach sein“, sagt Senftleben. Sie denke eher an einzelne Module.

Vorbild für das Konzept der FDP, das im Parlament abgelehnt wurde, ist Bayern. Dort startete im vergangenen Schuljahr das Pilotprojekt in 30 dritten und vierten Klassen. In sechs Modulen, die je eine Doppelstunde umfassen, bekommen die Kinder nicht nur erstes Computerwissen vermittelt. Themen sind unter anderem das Verständnis von Nachrichten, die Analyse von Werbung, die Risiken von PC-Spielen und von Chats. In diesem Herbst soll das Konzept dann auf alle Grundschulen im Land Bayern ausgeweitet werden.

Die Berliner Schulverwaltung sieht indes keine Notwendigkeit für ein neues Konzept oder gar ein neues Schulfach. Seit 2005 sei gemäß dem „Masterplan eEducation“ sehr viel für die Vermittlung von Medien- und Internetkompetenz getan worden: Auf 6,3 Schüler kommt in Berlin ein Computer, tausende Lehrer wurden geschult, wie sie die neuen Medien im Unterricht einsetzen können.

„Schulung reicht nicht“, sagt Simone L., Französischlehrerin an einem Gymnasium in Pankow. Lehrer müssten auch die Möglichkeit haben, das erworbene Wissen sofort im Unterricht anzuwenden – und genau daran hapere es in der Praxis. Denn auch wenn es Laptopklassen, Whiteboards und vernetzte Schulen gebe: Viele Schulen seien noch immer nicht optimal ausgestattet. An ihrem Gymnasium gebe es zwei Computerräume, sagt die 61-Jährige. „Während meines Französischunterrichts sind diese immer für den Informatikunterricht belegt“, sagt sie. Jede Stunde im PC-Raum müsse sie daher sorgfältig organisieren und vorbereiten. Das Internet kontinuierlich „in den Unterricht einzubinden“, was so häufig gefordert werde, sei eben deswegen nicht so einfach.

Die 61-Jährige plädiert dafür, das Fach ITG (Informationstechnischer Grundkurs) für die Sekundarstufe 1 auszubauen und mit anderen Fächern zu verbinden. So könnten die Schüler das technische Wissen direkt auf Informationen anwenden. Für die Lehrerin besteht kein Zweifel daran, dass die Schule in Sachen Medien- und Internetkompetenz in der Pflicht ist. „Von vielen Eltern können wir das einfach nicht erwarten.“ Deshalb wurde in letzter Zeit auch immer wieder der Ruf nach einem eigenständigen Unterrichtsfach laut, das Kinder und Jugendliche kompetent macht im Umgang mit Computern und für die Nutzung des Internets.

An vielen Schulen wird auch die Wartung der Computer vernachlässigt. Das ist auch aus Sicht von Peter Sinram, Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), das größte Problem. „Die Lehrer, die die Computer warten, bekommen nur eine minimale Stundenermäßigung.“ Dafür müsse der Senat unbedingt mehr Mittel zur Verfügung stellen.

PRO

Mit den Herausforderungen des Internets sind Kinder und Jugendliche jeden Tag konfrontiert – aber die Schulen lassen sie dabei alleine vor ihren Bildschirmen sitzen. Gefahren und Chancen des Internets zu kennen sind heutzutage wichtige Fähigkeiten fürs ganze Leben. Und darauf soll die Schule schließlich vorbereiten. Natürlich müssen auch die Eltern dabei mitwirken, aber häufig können sie mit dem Internet weit weniger gut umgehen als fachlich ausgebildete Pädagogen. Und es soll ja noch Familien geben, die keinen Computer besitzen. Diese Kinder dürfen deshalb nicht benachteiligt werden. Außerhalb der Schule ist es nicht möglich, alle Kinder angemessen zu fördern. In der Tat, es gibt bereits das Schulfach „Informationstechnischer Grundkurs“ (ITG). Doch geht es dort bislang nicht um die wirklich wichtigen Themen: Nutzung von Internetquellen, Unterschied zwischen legalen und illegalen Aktivitäten im Netz und Schutz der Privatsphäre. Aber auch strukturell muss sich das ITG weiterentwickeln: Alle Schüler sollten das Fach verpflichtend von der ersten bis zur zehnten Klasse belegen. Die Schulen haben sich schon in der Vergangenheit den Notwendigkeiten der Zeit gestellt, wie das 2006 eingeführte Fach Ethik beweist. Bei den jetzigen Kindern und Jugendlichen ist Medienkompetenz genauso wichtig wie der Dreisatz in Mathematik oder die DDR in Geschichte. Niklas Konrad

CONTRA

Seltsam, was Eltern der Schule alles zumuten. Nun soll sie die Kinder auch noch medienkompetent und internetfest machen. Weil sich Eltern zu wenig auskennen oder keine Zeit haben, sollen Lehrer die Kinder mit den Stärken und Schwächen eines Mediums vertraut machen, in dem manche Erwachsene Tage und Nächte verbringen? Das ist zu viel verlangt – und falsch. Wenn Kinder einen Computer nutzen dürfen, steht der zu Hause. Die Eltern sind also zur Aufsicht über das verpflichtet, was Kinder mit dem Gerät anstellen.

Das mag am Anfang leicht sein und später schwieriger werden – bis Kinder erwachsen sind, liegt die Verantwortung für das, was sie tun, bei den Eltern. Die machen es sich zu leicht, wenn sie sagen: Ich kann – und will – nicht die ganze Zeit danebensitzen. Das müssen sie auch nicht. Doch wie sie ihren Kindern beibringen sollten, dass man nicht klaut, so müssen sie im Blick haben, was ihr Kind im weltweiten Netz anstellt. Auch da kann man klauen (in dem man Musiker um ihre Einkünfte prellt) und dann Ärger bekommen.

Damit das nicht passiert, sollten Eltern mit ihren Kindern Regeln vereinbaren. Dazu gehört, dass man die Kinder (und erst recht Jugendliche) mit dem Rechner alleinlässt – Motto: Vertrauen gegen Vertrauen. Dazu gehört nicht, dass man das Netz wie eine ganz andere, regellose Welt behandelt. Werner van Bebber

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