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Mehr als 10.000 Menschen gingen am Sonnabend in Berlin gegen die EU-Urheberrechtsreform auf die Straße.

© REUTERS/Hannibal Hanschke

Protest gegen EU-Urheberrechtsreform: Mehr als Zehntausend Menschen demonstrieren in Berlin

6000 Teilnehmer hatten die Veranstalter erwartet, doch dann kamen deutlich mehr: Der Protest gegen Uploadfilter brachte viele Menschen auf Berlins Straßen.

Das Internet an sich ist gut. Davon sind hier alle überzeugt. Das Böse kommt von außen, etwa von der CDU, die das Internet „zerstören“ wolle, wie der Europapolitiker Axel Voss. Dessen Konterfei zieren diverse Protestpappen, darüber steht dann: „Axel Voss ist ein Kek“. Was das bedeutet, weiß hier jeder. Den CDU-Mann, der die Urheberrechtsreform mit eingefädelt hat, haben sie auch auf einen tanzenden Dinosaurier geklebt, diese Botschaft versteht man auch ohne vertiefte Kenntnisse des Netzvokabulars.

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Zur zentralen Demo gegen die Reform des Urheberrechts in Berlin kamen am Sonnabend nach Schätzungen der Polizei mehr als 10.000 Internetnutzer, deutlich mehr als erwartet. Das Organisations-Team auf dem Miet-Lkw verkündete vor dem Abmarsch am Potsdamer Platz euphorisch: „Ihr seid zu viele“, die Polizei habe deshalb die Demo-Route zum Brandenburger Tor geändert.

Gegner der Reform und vor allem des umstrittenen Artikels 13 hatten Demonstrationen in rund 20 Ländern angekündigt.
Gegner der Reform und vor allem des umstrittenen Artikels 13 hatten Demonstrationen in rund 20 Ländern angekündigt.

© Paul Zinken/dpa

Die Veranstalter lassen Parteivertreter nicht aufs Podium

Protestiert wurde in vielen europäischen Städten, schließlich geht es um europäisches Recht. Die Berliner Teilnehmer sind jung, gehören aber nicht unbedingt zu jener Szene, die ohnehin gegen alles auf die Straße geht. Die Protestschilder sind durchweg selbstgemacht, herausgeschnitten auf den Kartons, mit denen die Hardware fürs Internet nach Hause geliefert wurde.

Aufgerufen hatte ein Bündnis aus NGOs wie Chaos Computer Club, Freischreiber und der Verband der Community-Manager, der eine konkrete Gefahr für die Arbeitsplätze seiner Mitglieder fürchtet. Parteifahnen von den Grünen, den Jungen Liberalen, Jusos und Piraten sind zu sehen, aber die Veranstalter lassen Parteivertreter nicht aufs Podium.

Gegner der Reform und vor allem des umstrittenen Artikels 13 hatten Demonstrationen in rund 20 Ländern angekündigt.
Gegner der Reform und vor allem des umstrittenen Artikels 13 hatten Demonstrationen in rund 20 Ländern angekündigt.

© Paul Zinken/dpa

Stattdessen erklärt eine Schülerin namens Anna mit verzweifelter Stimme: „Das Internet ist mein Zufluchtsort. Ich liebe es und will es nicht verlieren.“ Auch wenn noch ziemlich unklar ist, wie sich die Reform auswirken könnte, malt sie ein dramatisches Szenario: „Wir werden unseren eigenen Content nicht mehr hochladen können.“

Ein Mitglied der Satirepartei „Die Partei“ verteilt „FCK Art 13“-Aufkleber

So genannte Upload-Filter, vom Datenkonzern Google entwickelt, würden neben dem Schutz der Urheberrechte auch die persönliche Nutzung wichtiger Plattformen wie Instagram oder Youtube regulieren und einschränken, befürchten die Demo-Teilnehmer. Das empfinden sie als Freiheitsentzug.

„Ich bin ein Internet-Mensch“, sagt Barbara, die mit einer Freundin aus Dresden angereist ist. Die 27-Jährige lässt sich zur Büromanagerin ausbilden und lenkt sich nach der Arbeit, so von 18 bis 22 Uhr, mit Videos, Bildern und Musik aus diversen Kanälen ab. Wenn die zensiert würden, wär der Spaß weg, fürchtet sie. Ein „Gamer“ aus dem bayerischen Rosenheim, Florian, 21, möchte Google nicht noch mächtiger werden lassen.

Er glaubt auch nicht, dass Upload-Filter dazu in der Lage sein könnten, zwischen selbst gemachter und damit erlaubter Satire und verbotenen Kopien zu unterscheiden. Er ist vom Fach, macht eine Ausbildung zum Informatiker. Ein Mitglied der Satirepartei „Die Partei“ verteilt „FCK Art 13“-Aufkleber, denn Artikel 13 des geplanten Gesetzes ermöglicht aus Sicht der Demonstranten das Zensieren der Inhalte auf Youtube oder Twitter.

„Wir sind keine Bots“

Immer wieder singen die Internet-Menschen im Chor: „Wir sind keine Bots“, denn das hatten Politiker wie Voss ihnen vorgeworfen: Der Widerstand sei gar nicht echt, die vielen ablehnenden Kommentare seien teils maschinell erstellt. Jetzt zeigen sie, dass sie viele sind. „Es geht auch um die Art, wie Politiker mit uns umgehen“, sagt Dominik Nienow aus Beelitz, 20 Jahre alt, angehender Verwaltungsangestellter und Youtube-Nutzer.

Aufgerufen hatte ein Bündnis aus NGOs wie Chaos Computer Club, Freischreiber und der Verband der Community-Manager.
Aufgerufen hatte ein Bündnis aus NGOs wie Chaos Computer Club, Freischreiber und der Verband der Community-Manager.

© Ragnar Vogt

„Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Freiheit raubt“, skandieren sie. Dann folgen Pfiffe. Sie trauen sich also doch ans Licht der Öffentlichkeit, wenn es sein muss, die Videospieler und Datennerds, die Memes-Fans und Serienjunkies. Das Internet bedeutet ihnen mehr als sich die Generationen vor ihnen ausmalen könnten. Memes sind übrigens verfremdete Text-Bild-Botschaften. Ein Kek ist ein Verlierertyp.

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