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Um die Elisabeth-Aue wird seit Jahren gestritten. Der Regierende Bürgermeister möchte hier bis zu 5000 Wohnungen bauen.

©  Kitty Kleist-Heinrich

Gegen Ghetto-Bildung: Pankower SPD will keine Großsiedlung auf der Elisabeth-Aue

Die Pankower SPD fordert maßvolle Bebauung, keine Großsiedlung. Sie stellt sich damit auf die Seite der Anwohner – und gegen ihren Landeschef Michael Müller.

Von
  • Ulrich Zawatka-Gerlach
  • Christian Hönicke

In der SPD bahnt sich ein Ost-West-Konflikt um die Zukunft der Elisabeth-Aue an. Die Pankower SPD lehnt den vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller unterstützten Bau einer Großsiedlung dort ab. In einem entsprechenden Beschluss der Kreisdelegiertenversammlung vom 14. September heißt es, man befürworte lediglich „eine behutsame Bebauung mit Mehrfamilienwohnhäusern durch landeseigene Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften (…) statt einer Großbausiedlung“ mit bis zu 5000 Wohnungen.

„Es nützt nichts, wenn wir Ghettos bauen, die die Bevölkerung drumherum ablehnt“, sagt der Pankower SPD-Vorsitzende Knut Lambertin. „Das erinnert an ,Asterix und die Trabantenstadt‘, das wollen wir verhindern.“ Die SPD des Wahlkreises Pankow betrachtet den umkämpften Acker im Norden des Bezirks zwar weiter „als eine Potentialfläche für Wohnungsbau, da es eine landeseigene, weiträumige Fläche ist“. Allerdings müssten die Planungen „im Einklang mit der vorhandenen Infrastruktur und den aktuell angrenzenden Gebieten stehen“, heißt es im Beschluss. „Dies halten wir für essenziell, um Akzeptanz bei der Bevölkerung vor Ort zu schaffen.“

Überraschend klar stellen sich die Pankower Genossen dabei auf die Seite der Anwohnerinitiative „Kleingartenpark Elisabeth-Aue“ und hinter deren Idee: eine „maßvolle Randbebauung“ mit Wohnungen, Kleingewerbe, Kitas und Schulen. Der Rest des landwirtschaftlich genutzten Ackers solle zu Kleingärten und Grünflächen umgewandelt werden. „Wir befürworten die Schaffung eines modernen Kleingartenparks (...) auf einem Teil der Fläche der Elisabeth-Aue, um wohnortnahe Erholungsmöglichkeiten (...) zu schaffen“, heißt es im Beschluss.

Diese Sicht soll auch die Landes-SPD übernehmen. Einen entsprechenden Antrag will der SPD-Wahlkreisverband Pankow am 26. Oktober auf dem Landesparteitag zur Abstimmung vorlegen. „Ich glaube, dass die SPD im Land gut beraten wäre, das aufzunehmen, was die Beteiligten vor Ort raten“, sagt Lambertin.

Klare Position gegen Müller

Damit geht die Pankower SPD auf klaren Konfrontationskurs zum Landesvorsitzenden Michael Müller. Der Regierende Bürgermeister will auf dem 70 Hektar großen Areal das Potenzial verwirklichen, das der Stadtentwicklungsplan Wohnen dort sieht: 3000 bis 5000 neue Wohnungen. Die Pläne für eine solche Großsiedlung waren bei den Koalitionsverhandlungen von Rot-Rot-Grün Ende 2017 bereits ein großer Streitpunkt. Damals konnte sich die SPD unter Müller gegen den Widerstand von Grünen und Linken nicht durchsetzen. Die Diskussion über eine Bebauung wurde auf die nächste Legislaturperiode vertagt.

Müller hat bereits deutlich gemacht, dass er seine Meinung bis dahin nicht ändern wird. Er strebt neben der Bebauung des Tempelhofer Felds weiterhin eine Großsiedlung auf der Elisabeth-Aue an. Dies müsse in der kommenden Legislaturperiode ab 2021 in Angriff genommen werden. „Diese Flächen kommen wieder“, sagte er unlängst.

Viel Raum im Berliner Nordosten

Generell sieht Müller im Nordosten Berlins weiter viel freien Raum, um der Wohnungsnot mit großen Bauprojekten zu begegnen. Er unterstützt auch die Initiative „Bürgerstadt Buch“ um Volker Härtig, den Vorsitzenden des Fachausschusses Soziale Stadt der SPD. Die Initiative fordert allein im Norden Pankows 40.000 neue Wohnungen und will dafür neben der Elisabeth-Aue auch Landschaftsschutzflächen in Anspruch nehmen.

Müller nannte die Bürgerstadt-Pläne „genau das, was wir brauchen“. Die Pankower SPD hingegen lehnt auch sie per Beschluss ab. Der SPD-Fraktionschef der BVV Pankow, Roland Schröder, attestierte Müller in dem Zusammenhang mangelnde Ortskenntnis und wenig Interesse für die Pankower Probleme. Schröder hält die Bürgerstadt für eine Initiative „alter Männer aus dem Westen Berlins“. Man könne nicht einfach auf den Stadtplan schauen und „alle Freiflächen zubetonieren“ wollen.

Der Vorstoß zur Elisabeth-Aue aus dem Nordosten überrascht vor diesem Hintergrund nicht. Dennoch zeigte sich die SPD-Bauexpertin und Vize-Landesvorsitzende Iris Spranger davon überrascht. Ihr sei der Beschluss der Pankower Genossen bisher nicht bekannt, sie sehe ihm aber gelassen entgegen. „Das ist ein Thema für die nächste Wahlperiode, das wir auf Landesebene in Ruhe besprechen werden“, sagt Spranger.

Widerstand auch unter Anwohnern

Doch so lange wollen die Genossen aus Berlins einwohnerstärkstem Bezirk offenbar nicht warten. Die Absetzbewegungen von der Landeslinie sind nicht zuletzt damit zu erklären, dass der Widerstand der Anwohner gegen die großen Baupläne inzwischen nicht mehr zu ignorieren ist und sich klar im nächsten Wahlergebnis niederzuschlagen droht.

Unlängst hatte sich ein Bündnis aus 17 Pankower Vereinen und Initiativen gegründet, die das geplante Neubauvolumen im Norden des Bezirks herunterdrosseln möchte. Bis zu 15.000 Wohnungen sollen dort entstehen, etwa in Karow, Buch und Berlins größtem Neubauviertel „Blankenburger Süden“. Das Bündnis, angeführt ausgerechnet von der Pankower CDU-Spitze, fordert eine ortsverträgliche Bebauung des dörflich geprägten Gebiets und vor allem eine tragfähige Verkehrsanbindung. Der Senat plant bislang keinen einzigen neuen Meter S- oder U-Bahn, um die neuen Wohnviertel zu erschließen.

Daran hapert es auch bei der Elisabeth-Aue. Ihre Anbindung ist bisher lediglich durch die Tramlinie 50 vorgesehen, die heute schon regelmäßig überfüllt ist. Deshalb müsse rechtzeitig die nötige Infrastruktur geschaffen werden, insbesondere in Sachen Verkehr, fordert die Pankower SPD in ihrem Beschluss: „Mögliche neue Tram-und U-Bahn-Strecken und die Anbindung an das bestehende Bahnnetz (S-Bahn und Heidekrautbahn) würden Kapazitäten und Akzeptanz im Vorfeld der behutsamen Bebauung schaffen.“

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