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Voller Schwung voraus. In der ganzen Stadt packen Groß und Klein mit an, so wie hier in der Quitzowstraße.

© Laura Stresing

Gemeinsame Sache: Am Wochenende wird gekehrt

Zwei Tage lang verschönern mehr als 240 Initiativen Berlin. Auch viele Kinder machen mit. Sie sind mit Eifer dabei und merken, was Straßenfeger so leisten.

Viktor aus der dritten Klasse fragt, ob sie denn auch die Mülleimer in ihre Säcke leeren dürften. Die Eimer sind schön voll, die blauen Müllsäcke hingegen trotz intensiver Absuche des Außengeländes der Galilei-Grundschule in Kreuzberg immer noch recht leer. Ihr Lehrer lacht und schüttelt den Kopf. Das Müllsammeln ist heute Unterrichtsstoff. „Die Kinder merken mal, wie anstrengend das ist, was die Straßenreiniger von der BSR so leisten.“ Ein guter Ersatz für die Sportstunde, die eigentlich auf dem Plan stand. Und ungemein wertvoll für die Müll-Prävention.

Der erste Tag des Aktionswochenendes gehört wie jedes Jahr den Kindern. Viele Schulen und Kitas haben zwei Stunden für die Verschönerung ihrer Umgebung reserviert, kleine Trupps aus Vier- bis Fünfjährigen wuseln durch die Rabatten, schon von Weitem erkennbar an ihren orangefarbenen Westen. Sie sind mit Eifer bei der Sache, freuen sich über jeden Schnipsel, den sie im Unterholz finden. Entdecken und aufsammeln, eigentlich Urtriebe des Menschen. Nur leider mit geringem Sozialprestige, aber das wissen die kleinen Straßenfeger noch nicht.

Mehr als 240 Initiativen sind dabei

Mehr als 240 Initiativen sind am Wochenende aktiv, neuer Rekord, sagen die Koordinatoren von „Wir Berlin“. Es wird nicht nur Müll gesammelt. Sportvereine bringen ihre Plätze in Ordnung, Nachbarschaften kümmern sich um verwilderte Blumenbeete, die Neuköllner Initiative Schönerschiller präsentiert Upcycling, also die Kunst, nutzlos gewordene Dinge in brauchbare umzuformen, die SPD Luisenstadt putzt Stolpersteine, das Kostümkollektiv im Bethanien arbeitet gespendete Kleider auf. Das größte Hindernis auf dem Weg ins schönere Berlin ist und bleibt jedoch (vorerst noch) der Müll.

Der Theodor-Wolff-Park an der südlichen Friedrichstraße ist tagsüber ein Trinkertreff, nachts kommt Partypublikum und hinterlässt viel Müll. Eine Besonderheit sind die Wassereistütchen, offenbar von Kindern nach dem Auslutschen fallen gelassen. Jetzt sammeln sie sie wieder auf, in größeren Mengen. Vormittags war eine sechste Klasse der Liebmann-Förderschule im Park unterwegs, jetzt kehrt sie mit reicher Ernte zurück. Die Kinder sind aufgekratzt, erzählen von ihren Fundstücken, darunter „ein Laser“, sagt der elfjährige Miklas, leider kaputt. Auf der Treppe in den Schulkeller reißt ein Plastiksack. Großes Gejohle, die Lehrerin ist gestresst. „Ich habe euch doch gesagt: keine Scherben in die Säcke!“

Auf den Bänken im Zentrum des Parks hocken zwei Männer, Bierdosen griffbereit, eine Frau mit kurzen Shorts und vielen Piercings knufft ihren Hund. Sie finden die Putzaktion heute nicht so toll. „Warum sollen die Kleinen den Dreck der Erwachsenen wegmachen?“, fragt einer, die Stimme schon etwas belegt. Gutes Argument, und was folgt daraus? Nee, nee, da solle man jetzt bitte keine falschen Schlüsse ziehen. Sie kümmerten sich selbst um ihre Sitzecke, würden einmal die Woche Besen besorgen im Tommy-Weisbecker-Haus gleich um die Ecke und alles sauber machen – „und am nächsten Morgen sieht es dann wieder genauso aus“, sagt die gepiercte Frau.

Blätter, Kippen, Kondompackungen und Wodkaflaschen

Das ist dann das Sisyphus-Dilemma: Was bringt’s? Der altgediente Hausmeister, der Weggeworfenes am Durchgang oberhalb des Parks aufgabelt, glaubt nicht an eine Besserung im „Müllverhalten“. Dabei sei es doch die pure Erholung, mal in einem wirklich sauberen Park zu sitzen. Marc Krüger linst durch die breiten Ritzen der hölzernen Sitzbank: „Da komm’ ich nicht ran.“ Hatten die Planer der Grünanlage an der Alten Jakobstraße in Mitte wohl nicht bedacht, dass jede Menge Kleinkram durch die Ritzen auf den Metallrahmen unter der Sitzfläche fallen kann. Dann machen sie eben unter der Bank sauber, Marc Krüger samt Freundin. Da kommt ein Mischmasch aus Blättern, Kippen, Kondompackungen und Wodkaflaschen ans Licht.

Krüger managt die hiesige Filiale von „Meyer Fachkräfte“, einer Leiharbeitsfirma. Die macht heute mal für zwei Stunden zu. Lilian Ong vom benachbarten Sprachinstitut Berlin macht auch mit. Sie wollten eigentlich noch mehr Gewerbetreibende anstiften, etwa den Mann vom Lottoladen, aber der konnte ja schlecht weg. Gemeinnützige Projekte anschieben, das hätten sie schon öfter gemacht, sagt Ong, da lerne man viele unterschiedliche Leute kennen und „wir wachsen auch selbst daran“. Da kommt der Vizebürgermeister von Mitte wie gerufen; den kannten sie noch nicht. Stephan von Dassel von den Grünen will mal kurz mitanpacken vor seinem nächsten Termin.

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