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Grün verbindet. Jutta Engert (l.) und Anja Wegener wollen gemeinsam mit Helfern den wuchernden Hopfen stutzen.

© Sven Darmer

Gemeinsame Sache in Treptow-Köpenick 2016: Köpenick: Gemeinschaft ohne Zäune

Das interkulturelle Projekt Wuhlegarten in Köpenick leistet wichtige Integrationsarbeit – im Spätsommer werden noch zupackende Hände gebraucht.

Im Wuhlegarten rücken die Nationen der Welt zusammen: Menschen aus mehr als 20 Ländern bewirtschaften in dem interkulturellen Gartenprojekt in Köpenick eine Fläche von 5 000 Quadratmetern. Auf ihren eigenen Parzellen züchten die Vereinsmitglieder teilweise exotische Gewächse wie Feigenbäume oder gestalten einmalige Gemeinschaftsanlagen wie den interreligiösen Kräutergarten.

Kinderlachen schallt über die Wand aus Grün und weist dem Besucher den Weg zum Eingang. „Wer öfter hier vorbeikommt, der merkt, dass immer Leben im Garten ist“, sagt Wuhlegärtnerin Jutta Engert. Die Neugier locke Nachbarn und Passanten schließlich durch das Tor.

Der Verein nimmt nur Mitglieder aus dem Bezirk Köpenick auf. Doch Hilfe ist immer willkommen. Die Freiwilligentage für ein schöneres Berlin am 9. und 10. September wollen die Wuhlegärtner nutzen, um die Problemzonen im Gemeinschaftsgarten zu beackern.

Dem Hopfen, der den Gartenzaun überwuchert und andere Pflanzen zu ersticken droht, soll es an diesem Wochenende an die Wurzeln gehen. „Das ist eine unglaublich hartnäckige Ranke“, sagt Engert. Die Wuhlegärtner müssen die Stauden wohl erst ausgraben, „damit der Blick auf den Garten endlich wieder frei wird“.

Auch vor den Bio-Toiletten gibt es Arbeit. Dort hat der Regen den Boden unterspült und das Pflaster abgesenkt. Das muss dringend behoben werden, bevor das stille Örtchen zur Unfallstelle wird, findet der Verein. Eine dritte Baustelle liegt neben dem Lehmofen. Das Feuerholz soll umgeschichtet werden, damit es richtig trocknen kann. Eigentlich wollte der Verein außerdem einen neuen Teich anlegen. Doch dieses Vorhaben werde man nur aus Naturschutzgründen auf nächstes Jahr verschieben, sagt Vereinsvorsitzende Anja Wegener.

Wer richtig anpacken will, sollte festes Schuhwerk mitbringen. Die Gartenhandschuhe und das Werkzeug stellt der Verein zur Verfügung. „Man sollte sich nicht davor scheuen, sich schmutzig zu machen“, sagt Wegener. Gesucht werden aber auch Freiwillige, die sich um die Verpflegung der Schuftenden kümmern. Andererseits: Wer Gartenarbeit mache, könne sich den Besuch im Fitnessstudio sparen, versichern die Frauen.

Einige Nachbarn aus dem neuen Wohngebiet nebenan haben ihre Hilfe bereits zugesagt. Auch der Verein „Sternenfischer“, das Freiwilligenzentrum für Treptow-Köpenick, will die Wuhlegärtner unterstützen und verteilt Flyer. Der Prospekt listet Dutzende weitere Mitmachaktionen im Bezirk auf.

Im Juni feierte der Wuhlegarten sein 13-jähriges Bestehen. Fast 50 Mitglieder „und gefühlt doppelt so viele Kinder“ bringen heute Leben auf die Fläche, sagt Wegener. Dabei begann alles mit einer verwaisten und verwahrlosten Kleingartenkolonie. Die Lauben stehen heute noch. Sie dienen als Gemeinschaftsküche, Aufenthaltsraum oder als Werkzeugschuppen. Die Zäune zwischen den Grundstücken aber wurden eingerissen.

Stattdessen entstanden Parzellen, deren Grenzen nur die Eingeweihten kennen und großzügige Gemeinschaftsflächen, auf denen die Kinder spielen und die Erwachsenen plauschen können. Vom nahe gelegenen Fußballstadion dringt manchmal der Jubel der FC Union-Fans herüber in die grüne Oase. Dazwischen fließt das Bächlein Wuhle träge dahin.

Gerda Münnich kennt den Garten von Anfang an. Als Mitbegründerin des Allmende-Kontors zählt sie zu den Urban- Gardening-Pionieren der Hauptstadt und überrascht Besucher gerne mit Fakten wie diesem hier: In Städten wie Berlin ist die Artenvielfalt größer als auf dem Land. Das Köpenicker Gartenprojekt leiste einen wichtigen Beitrag dazu, ist sich Wegener sicher.

So gebe es einen Grund dafür, warum die Parzellen des Wuhlegartens nicht so ordentlich beschnitten sind wie die der Laubenpieper. „Einige Flächen lassen wir mit Absicht wild wachsen“, erklärt Wegener. „Die Brennnesselecken zum Beispiel sind wichtig für die Schmetterlinge.“ Viele Frösche und Kröten bevölkern den Garten. Sogar eine große, alte Ringelnatter wurde schon mehrfach gesichtet.

Auch die kulturelle Vielfalt unter den Gärtnern mache sich laut Engert im Landschaftsbild bemerkbar. „Vor einigen Jahren sah das hier so aus: Jeder hatte Stangenbohnen, aber jeder hat sie anders hochgebunden“, berichtet sie und fügt hinzu: „Man lernt sehr viel voneinander.“

Die Idee, ein Integrationsprojekt im Garten zu gründen, stammt übrigens aus Göttingen, wie Münnich zu berichten weiß. Dort waren es in den Neunzigern vor allem die Flüchtlinge aus dem Kosovo, die Schutz suchten und von der Stadt willkommen geheißen wurden. Doch die bosnischen Frauen quälte das Heimweh. Was ihnen denn am meisten fehle, wollte die Stadt wissen. „Unsere Gärten“, sollen die Frauen geantwortet haben. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen, nur dass die Geflüchteten heute aus Syrien, Eritrea und Somalia kommen. Inzwischen weiß man aber nicht nur in Köpenick und Göttingen, dass Gartenarbeit die Gemeinschaft wirklich zusammenschweißen kann – wenn man vorher einige Zäune einreißt und den Blick öffnet.

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