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Berlin: Gemischte Interessen

Eigentümer des Herstellers der maroden S-Bahn-Räder sitzt im Aufsichtsrat des Bahn-Konzerns, der das Desaster aufklären will

Die Situation bei der S-Bahn wird immer bizarrer: Jetzt hat sich herausgestellt, dass der Gesellschafter des Räderherstellerwerks Rafil, dessen Produkte schneller verschleißen als geplant, auch im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG sitzt, die die mysteriösen Vorgänge bei der S-Bahn lückenlos aufklären will. Dabei klagt Personenvorstand Ulrich Homburg schon seit langem, dass die Bereitschaft der Industrie, die Hintergründe des Desasters mit brechenden Rädern zu ermitteln, bisher gering sei. Ob es Interessenkollisionen gebe, wenn der Eigentümer eines Herstellers, der von der Bahn Aufträge in Millionenhöhe erhält, im Aufsichtsgremium des Auftraggebers sitzt, wollte ein Bahnsprecher am Montag nicht kommentieren.

Jürgen Großmann ist seit dem 1. Dezember 2008 Mitglied im Aufsichtsrat des Bahnkonzerns, berufen als Vorsitzender des RWE-Konzerns. Zuvor war er von 1997 bis 2006 Gesellschafter und Geschäftsführer der Georgsmarienhütte Holding, zu der das Räderwerk Rafil aus Ilsenburg gehört. 2007 gab er seine Tätigkeit als Geschäftsführer dort auf.

Pikant dabei: Rafil hat nach „Spiegel“-Informationen 2005 die Bahn schriftlich darauf hingewiesen, dass die seit den 90er Jahren produzierten Räder der S-Bahn-Baureihe 481 nicht mehr den inzwischen geänderten Normen entsprächen, von einem neuen aufwändigen Prüfverfahren aber abgeraten. Der Konzern musste wie üblich der S-Bahn für eine Großbestellung eine technische Freigabe erteilen. Dabei habe es Hinweise gegeben, dass die Räder nicht „dauerfest“ sind, hatte Homburg in der vergangenen Woche bestätigt. Weitere Angaben waren auch am Montag nicht zu erhalten.

Die S-Bahn kauft die nicht zuverlässigen Räder auch weiterhin, weil sie die alten austauschen muss und andere nicht auf dem Markt sind. Welche Konditionen dabei mit dem Hersteller ausgehandelt worden sind, wollen beide Seiten bis heute nicht sagen. Klar ist, dass jetzt neue Räder in die Züge eingebaut werden, die in wenigen Jahren, weit vor dem ursprünglichen Plan, erneut ausgewechselt werden müssen.

Die Misere bei der S-Bahn dauert inzwischen fast ein Jahr. Begonnen hatte der Fahrzeugmangel Anfang November. Schon damals musste die S-Bahn auf mehrenen Linien kürzere Züge einsetzen, weil die Fahrzeuge der Baureihe 481 nach verstärkten Kontrollen an den Achsen häufiger in die Werkstatt mussten als zuvor. Und Reserven waren schon damals nicht mehr vorhanden, weil das Unternehmen Fahrzeuge verschrottet hatte, um Unterhaltungskosten zu sparen.

Der Betriebsrat hatte dem Unternehmen schon vor einem Jahr vorgeworfen, es habe sich für den zu diesem Zeitpunkt noch fest geplanten Börsengang „an den Rand des Chaos''“ gespart. Nach dem massenhaften Ausfall von Zügen wegen eingefrorener Sicherheitssysteme im Januar 2009 hatte der Betriebsrat wiederum davor gewarnt, den rigiden Sparkurs fortzusetzen. Geändert hatte sich jedoch nichts.

Wären die Kontrollfristen der Fahrzeuge nicht verlängert worden, was Kosten sparte, hätte der Riss an einem Rad, der am 1. Mai einen Zug entgleisen ließ, vorher in der Werkstatt entdeckt werden können, sagen Fachleute. Und warum Bremsanlagen nicht wie vom Hersteller vorgegeben gewartet worden sind, prüft die Bahn derzeit. Die rigiden Sparvorgaben hat der Konzern aber auch nach einem Jahr nicht aufgegeben.

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