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Kinder spielen mit einem Tablet-PC.

© dpa

Generation Digital Natives: Wie unsere Kinder smart werden

Einer internationalen Schulstudie zufolge haben deutsche Schüler großen Nachholbedarf bei digitalen Kenntnissen. Unser Autor ist froh, dass seine Tochter endlich ein eigenes Smartphone bekommt.

Vor ein paar Monaten, in einer lauen Frühlingsnacht, kam mir mein geliebtes Handy mit dem weltbekannten Logo des angebissenen Fallobsts bei einer Kneipentour in Kreuzberg abhanden. Die letzte GPS-Ortung zeigte den Standort Graefestraße an. Doch alles Suchen und Nachfragen blieb vergebens. Ich erstattete Diebstahl-Anzeige. Aber auch die vermutlich groß angelegte Fahndung der Polizei verlief im Sande, das Verfahren wurde eingestellt. Ich musste mir ein neues Smartphone kaufen. Dann, vor drei Wochen, der Anruf einer unbekannten Frau: Endlich erreiche sie mich, sagt sie, mein verlorenes Telefon liege seit einem halben Jahr in ihrer Galerie in der Graefestraße. Warum sie sich erst jetzt melde? Na ja, sagt sie, die auf dem Display angezeigte Nummer des Besitzers sei nicht erreichbar gewesen, dann habe irgendwann der Akku aufgegeben und das Smartphone sei in eine Schublade gewandert. Dort habe es gelegen, bis neulich mal jemand ein passendes Ladegerät aufgetrieben habe – „und jetzt haben wir Sie wieder unter dieser Nummer erreicht.“

Die Kulturtechniken des 21. Jahrhunderts: Daumenfertigkeit, Suchmaschinenrecherche und soziales Netzwerken

Natürlich wäre mir viel Ärger erspart geblieben, wenn die Finder das Handy einfach bei der Polizei abgegeben oder den Provider der Nummer informiert hätten. Aber ich will mich nicht beschweren. Vor allem unsere zwölfjährige Tochter freut sich. Wir haben ihr das wiedergefundene Gerät versprochen – und befriedigen damit ein lebenswichtiges Begehren. „Ich bin fast das letzte Kind in unserer Klasse, das kein eigenes Smartphone besitzt. Das ist so uncool.“ Nur ein anderes Mädchen sei noch schlimmer dran als sie, das habe nicht mal ein Wischhandy, sondern noch eins mit Tasten. Man ist zu Tränen gerührt.

Als Vater bin ich alarmiert. Wir leben in einem Entwicklungsland, was die Vorbereitung unserer Kinder auf das digitale Zeitalter angeht, ist gerade zu lesen. Laut der internationalen Schulstudie ICILS über die Computerkenntnisse der „Digital Natives“, also der jüngsten Generation, die mit PC und Handy groß wird, hat Deutschland großen Nachholbedarf. „Mittelalterlich“ nennt die Lehrergewerkschaft VBE die Ausstattung mit Computern in den Klassenzimmern. Auch die digitalen Kompetenzen der Lehrerschaft lassen zu wünschen übrig.

Angesichts solcher Zustände sind also wieder wir Eltern gefordert. Da kann ich nur froh sein, dass unsere Tochter jedenfalls zu Hause ein eigenes Notebook hat – und nun endlich auch mobilen Anschluss an das digitale Zeitalter. Jetzt kann sie die wichtigsten Kulturtechniken des 21. Jahrhunderts rund um die Uhr trainieren: Daumenfertigkeit, Suchmaschinenrecherche und soziales Netzwerken.

Ich hoffe nur, dass es nicht zu spät ist. Wir haben unsere Kinder viel zu lange von diesem Neuland abgeschirmt. Dabei lebe ich selbst schon 40 Jahre dort. Wir waren doch die ersten Digital Natives. Als Kinder spielten wir „Pong“-Video-Tischtennis auf dem Fernsehbildschirm. Das war in den siebziger Jahren! Dann hockten wir vor dem Commodore 64 und tauschten Floppydisks, später wählten wir uns mit piepsknarzenden Telefon-Modems zu Compuserve und AOL ins Internet. Die ganze Technik war ein Teil unserer Biografie, kostbare Erinnerungsstücke wie die Fotoalben für unsere Großeltern. Ich hätte den ganzen Schrott aufbewahren sollen, zum Basteln und Löten für die Kinder. Unsere zwölfjährige Tochter wäre vielleicht schon Start-up-Millionärin. Wir könnten reich sein. Ich habe versagt.

Das „Museum für Kommunikation“ (Leipziger Str. 16 in Mitte) bietet regelmäßig Medienkurse und Workshops für Kinder und Schulklassen an. Infos unter Tel. 202 94 0 oder im Internet unter www.mfk-berlin.de

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