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140 000 Besucher werden zum Festival erwartet.

© dpa

Genervte Anwohner, begeisterte Fans: 140.000 Besucher werden bei "Lollapalooza" erwartet

Am heutigen Samstag beginnt im Treptower Park das umstrittene Musikfestival. Kurz vor Konzertbeginn wirkt alles friedlich, doch im Hintergrund gibt es mächtig Ärger.

Die Frau ist jung, sie hat lange, blaue Haare, trägt hautenge Jeans und die Flamme, die aus ihrem Mund strömt, ist einen halben Meter lang. Wer bei ihr steht, hat’s fast geschafft. „Noch 25 Meter bis zu Lollapalooza“, steht in grellen Farben ein paar Zentimeter neben dem Feuerstrahl. Von diesem meterlangen Transparent ist es nicht mehr weit bis zu einem riesigen weißen Zelt. Alle 140 000 erwarteten Gäste sollen hier hindurch geschleust werden, das Festival ist ausverkauft. Im Zelt stehen Ordner, Kassenmitarbeiter kontrollieren die Tickets und verteilen Bändchen. Und hinter dem Zelt dröhnt dann die Musik. Rock, Techno und Dance, dazu noch Mode, Kunst und Comedy.

So wird es sein, am Sonnabend und Sonntag, wenn das alternative Festival „Lollapalooza“ steigt. Wenn, musikalischer Höhepunkt, Radiohead spielt sowie unter anderen Kings of Leon und New Order. Aber heute ist Freitag, das Festivalgelände am Treptower Park liegt fast friedlich da. Neben dem weißen Zelt kleben vier Leute Hartplastikplanen auf dem Boden fest. Unter den Planen sind Holzbretter mit kleinen Löchern. „Die Bretter müssen wir überdecken, damit die Frauen nicht m it ihren Absätzen reintreten“, sagt Rainer Mueller, 36, Vollbart, schwarzes T-Shirt, Wohlstandsbauch.

Sogar ein Gericht wurde eingeschaltet

Ein paar Minuten später taucht ein Sicherheitsmitarbeiter auf, mit bunten Tattoos, Fahrrad und Funkgerät. Freundlich, sanft fast, sagt er: „Bitte die Baustelle nicht betreten.“ Viel hat er nicht zu tun, es gibt kaum Leute, die neugierig an den Metallzäunen entlang laufen, die das ganze Areal abschirmen. Nichts erinnert in diesem Moment daran, dass es wütende Proteste von Anwohnern gab, die sogar vor Gericht verhindern wollten, dass das Festival stattfindet. Erstens wird der denkmalgeschützte Park wegen Auf- und Abbaus und Park-Sanierung wochenlang blockiert, zweitens sind sie genervt vom Konzert-Lärm.

Noch vermischt sich höchstens ab und zu Baulärm mit dem Zwitschern der Vögel. In jenem Teil des Parks, der nicht abgesperrt ist, direkt am Eingang zur S-Bahnstation Treptower Park, stehen allerdings zwei junge Männer und blicken ratlos drein. Sie wollten eigentlich ans Wasser, aber der Weg ist abgesperrt. Von „Lollapalooza“ haben sie noch nie gehört, sie werden von den Zäunen überrascht. „Dass wir nicht ans Wasser können, ist ärgerlich“, sagt einer. „Und hier ist es ja nun auch nicht gerade gemütlich. Aber die Absperrung muss wohl sein.“

Ältere Menschen beklagen den Verlust von Parkplätzen

So gelassen ist eine Frau, die ein paar Meter weiter an einem Ticketschalter sitzt, nicht. Sie verkauft hier Fahrkarten für Bootstouren, „Rund um den Müggelsee“ zum Beispiel. „Lollapalooza“, das Stichwort wirkt auf sie, als müsste sie auf einer Zitrone kauen. „Es ist ganz, ganz schlimm“, sagt sie. „Die Parkplätze fehlen durch die Absperrungen.“ Parkplätze für ältere Menschen, Parkplätze für Leute, die nicht mehr weit laufen wollen, Parkplätze für einen Großteil ihrer Kunden. „Der einzige Weg ist die S-Bahn.“

Sie habe schon Anrufe gehabt, Telefonate mit Leuten, die gefragt hätten, ob sie denn überhaupt noch Tickets verkaufe, ob die Schiffe denn noch fahren, da doch das Areal abgesperrt sei. „Kommt man da überhaupt noch auf den Steg?“

Kommt man schon, aber das muss jedes Mal erklärt werden. Und manchmal nützt die Erklärung offenbar auch nichts. „Wir haben Kunden verloren“, sagt die Frau am Schalter. „Und wenn die Musik läuft, fliegen uns hier die Ohren weg.“

Manche wollen Festival-Tickets

Ein Familienvater, der in der Nähe wohnt, hat in diesem Punkt keine Angst. Er zieht mit Frau und Kind in ein Hotel. Allerdings wird er beim Thema „Lollapalooza“ auch wütend. Denn er habe sich selbst um ein Hotelzimmer kümmern müssen, der Veranstalter habe von sich aus nichts unternommen und sich nicht um eine Ersatzunterbringung für die Zeit des Festivals gekümmert, obwohl er dazu nach den Vorgaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt verpflichtet gewesen wäre. Auch seine Nachbarn hätten in diesem Punkt nichts von dem Veranstalter gehört. Die Kosten für sein Hotel habe nach einigem Hin und Herr der Veranstalter übernommen. In einer Liste der Senatsverwaltung sind mehrere hundert Haushalte aufgeführt, die im akustischen Einzugsbereich des Festivals liegen.

Tommy Nick, Festival-Sprecher, hingegen sagt, „dass bei den Anwohnern ein großes Missverständnis herrscht“. Dass eine Adresse auf der Liste stehe, bedeute nicht, dass es automatisch Anspruch auf eine Ersatzwohnung oder ein Hotel gebe. „Das sind nur Messpunkte, die besagen, dass es dort eventuell eine Beeinträchtigung durch Lärm geben könnte.“ Wer Angst habe, er könnte vom Krach betroffen sein, könne sich noch an den Veranstalter wenden. „Dann wird geprüft, ob er betroffen ist.“ Wenn ja, werde ihm eine Ersatzunterkunft zur Verfügung gestellt. Im Übrigen stünden alle Regularien im Internet.

Die meisten aber wollten gar keine Ersatzunterkunft, sagt Nick. „Sondern lieber Tickets fürs Festival.“ Diesen Wunsch erfüllt er natürlich gern.

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