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Berlin: Genossen ohne Luft

Eigentlich wollte die PDS nur eine Bundestagsabgeordnete aus Berlin verabschieden. Doch notgedrungen kam ein ganzer Saal in wehmütige Stimmung

Von Matthias Meisner

Es war ganz anders geplant, und Christa Luft hat mit sich gerungen, ob sie nicht die Veranstaltung zu ihrem Abschied aus dem Bundestag ganz absagen sollte. Keiner konnte oder wollte ahnen, dass die ganze PDS-Bundestagsfraktion ihren Hut nehmen muss. Doch schließlich wollten sich am Donnerstagabend alle doch noch mal auf die Schultern klopfen. Frühere DDR-Politiker wie Günther Maleuda, Chef der damaligen Bauernpartei und Volkskammerpräsident, kamen ins Tagungszentrum „Palisa“ in Friedrichshain, auch Walter Romberg, der für die SPD Finanzminister in der Übergangsregierung von Hans Modrow war. Daniela Dahn folgte der Einladung, auch der ukrainische Botschafter Anatali Ponomarenko zeigte sich betrübt. Edgar Most, (ostdeutscher) Direktor der Deutschen Bank, rief die Partei auf, ihre Kontroversen zu pflegen: „Sonst verschwinden die PDS.“

Selbstverständlich fehlten auch nicht wichtige Weggefährten aus PDS-Tagen: Parteichefin Gabi Zimmer und ihr Vorgänger Lothar Bisky, der scheidende Fraktionschef Roland Claus – sie würdigten Luft und versuchten sich in gegenseitigem Zuspruch. „Wir sind bei den Wahlen in Deutschland gescheitert, aber nicht gescheitert in Deutschland ist die sozialistische Idee!“ rief Claus aus, dafür gab es viel Applaus. „Tragen wir nicht alles zu Grabe“, appellierte Modrow: Nachdenken über den Sozialismus – der PDS-Ehrenvorsitzende blickte in Richtung des Botschafters – werde „in Kiew und anderswo“ erwartet, „und wir sollten das hier genauso fortsetzen“. Gesine Lötzsch aus Lichtenberg, eine von zwei noch direkt in den Bundestag gewählten Abgeordneten, kam bewusst im Jeanshemd, hatte das schwarze Jackett am Morgen zurück in den Schrank gehängt: Sie wolle nicht Trauer tragen, wenn doch nach vorn geschaut werden müsse.

Luft, zu DDR-Zeiten unter anderem Vize-Direktorin beim Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, nach der Wende fünf Monate lang DDR-Wirtschaftsministerin, legte im Foyer ihren letzten „Bundestags-Report“ für den Wahlkreis aus. „Mut!“ steht groß darauf. Doch die melancholische Stimmung konnte die Politikerin nicht aus dem Saal vertreiben. Schon einmal 1989/90 habe es eine Niederlage gegeben, sagte sie, und das Leben könne eben nur „in der Schau nach vorwärts“ gelebt werden. Da standen vielen Genossen im Saal die Tränen in den Augen.

Nur einer wurde, obwohl angekündigt, nicht gesichtet: Gregor Gysi. Doch dass er der PDS fehlt, hat sich herumgesprochen.

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