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Einzug der Wohlhabenden. In der Innenstadt werden immer höhere Mieten fällig. Wie lässt sich das ändern?

© Kitty Kleist-Heinrich

Gentrifizierung in Berlin: Es gibt kein Grundrecht auf Wohnen in der Stadtmitte!

Berlin Mitte ist eine beliebte Wohngegend, aber teuer. Trotzdem wollen alle plötzlich in die Stadtmitte ziehen - und fordern auch noch billige Mieten. Doch Planwirtschaft im Mangel ist der falsche Weg. Eine Polemik zur aktuellen Stadtdebatte.

Was für eine Umkehrung: Jahrzehntelang wollte jeder, der es sich glaubte leisten zu können, hinaus aus der Stadt ins vermeintliche Glück eines Eigenheims. Im Grünen, oder besser: inmitten unzähliger anderer Eigenheime. Die Innenstädte drohten zu veröden. Wenngleich nicht in Berlin, das aufgrund seiner besonderen politischen Situation nie in City und Suburbia zerfallen konnte. Doch der Drang brach sich Bahn.

Mittlerweile hat eine Rückwärtsbewegung eingesetzt. Die Stadt ist als Wohnort begehrt, alle wollen mittendrin wohnen. Die Gentrifizierung weiter Teile der früheren Ost-Berliner Innenstadt hat einen spürbaren Mangel an erschwinglichen und vermietbaren Wohnungen zur Folge. Es ist allerdings nicht so, dass alle Wohnungen in den einschlägigen Gebieten sprunghaft teurer geworden sind. Da sei unser Mietrecht vor. Deutlich teurer geworden ist nur, was auf den Markt kommt.

Zugleich wird in der allgemeinen Stadtdebatte das Wohnen in der Mitte zu einer Art Menschenrecht erhoben. Schön und gut; nur, wie soll dieses Menschenrecht verwirklicht werden? Durch Bau und Bereitstellung preiswerter Wohnungen für Haushalte mit geringem Einkommen, lautet dann die Antwort. Jedoch ohne die Konsequenzen zu bedenken: Denn soll dieses Sonderangebot für eine bestimmte Anzahl von Nachfragern gelten oder für potenziell jedermann? Sozialwohnungen so lange und so viele, bis jedwede Nachfrage befriedigt ist? Das wäre unmöglich.

Eine planwirtschaftliche Verwaltung des Mangels führt in die Sackgasse neuer und, im Gegensatz zu flüssigen Grenzen des Marktes, stahlharter Ausschlusskriterien. Wer einmal drin sitzt, hat Glück gehabt und wird sein Privileg zu verteidigen wissen. Wer draußen bleibt, rennt gegen Mauern. Die Verwaltung des Mangels ist das Dümmste, worauf sich die Politik einlassen kann. Denn sie wird immer nur Unzulänglichkeit, Ungerechtigkeit und Unzufriedenheit zur Folge haben.

Mit großen Mühen hat sich Berlin aus der finanziellen Erdrosselung durch die Lasten des Sozialen Wohnungsbaus befreit. Die Objektförderung, ein glänzendes Geschäft für Immobilienspekulanten und Baufirmen, ist falsch. Die Unterstützung bedürftiger Haushalte hingegen ist ohnehin Bestandteil der Sozialpolitik, „Wohngeld“ ist ja kein Fremdwort.

Die wirkungsvollste Gegensteuerung gegen die soziale Entmischung ist die Bereitstellung preiswerter Grundstücke durch das Land, den bei Weitem größten Großgrundbesitzer. Verbunden mit Auflagen an die Bauherren – und deren Organisationsform. Baugemeinschaften bauen billiger und besser als die Immobilienwirtschaft. Denn sie bauen mit eigenem, sorgfältig verwalteten Geld, und mit jenem Blick auf Dauerhaftigkeit, den der Wille zu den eigenen vier Wänden lehrt.

Ein Grundrecht auf Wohnen in der Mitte der Stadt kann es nicht geben. Besser ist es, die Stadtmitte mit ihren begehrenswerten Wohnlagen zu vergrößern. So, wie es der Markt bisweilen tut; man denke nur an vor nicht allzu langer Zeit abgeschriebene Viertel wie Nord-Neukölln oder Lichtenberg. Berlin hat gegenüber anderen Städten den Vorteil einer enormen Ausdehnung. Hier gibt es viele Flächen, die unter Wert genutzt werden oder ganz brachliegen. Das ist das Potenzial, das es zügig zu nutzen gilt.

Man muss auch über heutige Wohnstandards reden. Das ist nicht einfach in einem Land, in dem Frau Hinz und Herr Kunz schon für einen Neuwagen so viel ausgeben wie noch vor Jahren für die Anzahlung eines kompletten Einfamilienhauses.

Ein anderer, womöglich schneller zu realisierender Weg ist die Umrüstung vorhandener Gewerbebauten zu Wohnzwecken. London, eine Stadt astronomischer Immobilienpreise, soll es vormachen. 60 000 Wohnungen sollen durch genehmigungsfreien Umbau leer stehender Bürobauten zu Wohnungen werden. Die (selbständige) City of London läuft dagegen Sturm: Sie will die Büros für einen eventuellen Aufschwung zurückhalten. Ein solcher Konflikt ist in Berlin kaum zu erwarten. Hingegen könnten – bitteschön einmalige – Anreize der Politik helfen, die Immobilienbesitzer zu einer solch dauerhaften Umwidmung zu veranlassen.

Am Ende bleibt es natürlich schwierig. Alle sprechen sich für soziale Durchmischung aus. Und, merkwürdig, die meisten ziehen dorthin, wo ihresgleichen schon wohnt. So entstand die Prenz’lberger Monokultur. Damit aber nicht diejenigen, die die Wahl nicht haben, dorthin ziehen, von wo sie nie wieder wegkommen können, muss die Politik agieren. Im Bewusstsein, dass es stets „bessere“ und „schlechtere“ Quartiere in einer Stadt geben wird. Und dass die Gesellschaft in Bewegung bleibt. Räumlich und sozial. Von wechselnden Vorlieben für Stadt oder Land, Eigenheim oder Etage ganz zu schweigen.

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