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Belle-vue. In vielen Parks laufen Hunde frei herum – dabei gilt in den so genannten geschützten Grünanlagen der Leinenzwang.

© Doris Spiekermann-Klaas

Geplanter Leinenzwang: Uneinsichtige Hundehalter überfordern die Kiezstreifen

Die geplante Verschärfung des Hundegesetzes löst heftige Diskussionen aus. Dabei sind die Ordnungsämter schon jetzt damit überfordert, die in Parks geltende Leinenpflicht zu kontrollieren.

Die geplanten Vorgaben sind klipp und klar: Generelle Leinenpflicht für jeden Hund in Berlin – mit einer Ausnahme. Macht der Halter zusammen mit dem Tier eine Schulung und erwirbt einen Hundeführerschein, so darf er seinen Liebling frei laufen lassen. So sieht das neue Konzept aus, mit dem Berlins Amtsveterinäre und die rot-schwarze Koalition das jetzige Hundegesetz, wie berichtet, verschärfen wollen. Doch bringt dieses Vorhaben tatsächlich mehr Sicherheit vor gefährlichen Hunden? Hilft es dabei, eine artgerechtere Tierhaltung in der Stadt durchzusetzen? Und lassen sich solche Erfahrungen überhaupt wirksam kontrollieren mit dem wenigen Personal der Ordnungsämter?

Viele Jogger und Spaziergänger sind skeptisch angesichts des amtlichen Versagens in Berlins Grünanlagen. Dort verkünden Schilder überall die Leinenpflicht. Aber Kati Schmiedinger in Prenzlauer Berg erlebt im Mauerpark die Realität. Eigentlich will sie mit einer halben Stunde Walken vor der Arbeit nur etwas für ihre Fitness und Entspannung tun. „Doch mehrfach bin ich regelrecht geschockt nach Hause gekommen“, erzählt die 32-jährige Grafikerin. Dann nämlich, wenn ihr mal wieder ein freilaufender Hund vor die Füße gelaufen ist. Zweimal wurde Schmiedinger von einem großen braunen Mischlingsrüden angesprungen – beide Male derselbe Hund. Der Besitzer, ein gut angezogener Mann um die 30, habe auch beim zweiten Mal auf ihre wütende Zurufe nicht reagiert.

Solche Erlebnisse sind keine Einzelfälle. Viele Besitzer lassen ihre Hunde auf den Wiesen im Mauerpark frei laufen, nur sehr wenige nutzen die kleine Freilauffläche am Parkeingang. Selbst wer Hunde eigentlich mag, reagiert bald genervt, wenn ihm beim Joggen bedrohlich wirkende Vierbeiner in die Quere kommen. So geht es auch einem Anwohner, der mehrmals die Woche im Volkspark Friedrichshain joggt und dabei regelmäßig freilaufenden großen Hunden begegnet. Irgendwann riss dem 43-Jährigen der Geduldsfaden, und er beschwerte sich beim Leiter des zuständigen Ordnungsamt, Peter Beckers.

Lesen Sie auf Seite 2, wie es andere Bundesländer Berlin bereits vormachen.

In seinem ersten Antwortbrief lobte der Stellvertretende Bezirksbürgermeister noch die „kontinuierlichen Kontrollen und Ahndungen der Verstöße“ durch das Ordnungsamt. Erst als der Anwohner antwortete, er habe im Volkspark in 90 Minuten bis zu 18 unangeleinte Hunde wie Schäferhunde, Dobermänner und auch Kampfhunde gezählt, aber in einem Zeitraum von zehn Wochen keinen einzigen Mitarbeiter des Ordnungsamtes gesehen, verwies Beckers auf die eingeschränkten personellen Kapazitäten: Wochentags seinen fünf, am Wochenende nur drei Ordnungsamt-Streifen pro Schicht im gesamten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg im Einsatz, daher seien „dem Außendienst gewisse Grenzen gesetzt, den mit Hunden im Zusammenhang stehenden Problematiken durch Dauerpräsenz zu begegnen.“

Marcel Gäding vom Tierschutzverein Berlin und Uwe Schmidt vom Verein für das Deutsche Hundewesen Berlin/Brandenburg (VDH) sind aber nun optimistisch, dass ein überarbeitetes Hundegesetz „etliches zum Besseren wenden kann“. Es geht ihnen darum, die Hundehalter „wesentlich stärker in die Verantwortung zu nehmen“: Zugunsten eines besseren Schutzes der Bevölkerung, aber auch zugunsten von mehr Sicherheit für die Tiere und ihre Halter – sowie im Sinne des Tierschutzes. Gäding: „Wenn ein Halter nur noch mit einer nachzuweisenden Prüfung sein Tier frei laufen lassen darf, übt das einen erheblich stärkeren moralisch-öffentlichen Druck aus als die bisherigen Regelungen.“

Niedersachsen mache es Berlin bereits vor, und Hessen sei gleichfalls dabei, sein Hundegesetz zu ändern. Dabei geht Niedersachsen noch schärfer vor, als es in Berlin erwogen wird. Nach dem im Sommer 2011 verabschiedeten Hundegesetz wird Druck nicht über die Leinenpflicht ausgeübt, sondern über die Erlaubnis, sich einen Vierbeiner zu halten. Wer sich ab 2013 einen Hund anschaffen will, muss mit dem Tier eine zertifizierte Hundeschule besuchen. Andernfalls wird ihm die Hundehaltung untersagt.

Hessen verfolgt einen ähnlichen Weg und hat zugleich – wie Niedersachsen – die Rasseliste für gefährliche Hunde abgeschafft. Stattdessen müssen Hunde ab einer bestimmten Größe generell einem zugelassenen Hundetrainer oder einem Amtsveterinär vorgestellt und individuell beurteilt werden. Diese Alternative fordern Berlins Hundevereine und Tierschützer auch für Berlin. Die derzeitige Kampfhundeliste kritisieren sie als „Augenwischerei“. Marcel Gäding sagt: „Die Bissattacken haben dadurch kaum abgenommen. In jeder Rasse gibt es friedliche und aggressive Tiere. Es bringt nicht, bestimmte Rassen pauschal zu verurteilen.“

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