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Berlin: Gericht stoppt erneut Ernennung des Polizei-Chefs

Juristen sehen Fehler im Auswahlverfahren Grüne und Linke fordern Neustart.

Das Verwaltungsgericht hat am Mittwoch erneut die Ernennung von Udo Hansen zum Polizeipräsidenten gestoppt – genau ein Jahr, nachdem die Suche nach einem neuen Chef für Deutschlands größte Polizeibehörde begonnen hatte. Wieder war der unterlegene Bewerber Klaus Keese vor Gericht gezogen. Er leitet die Polizeidirektion 1, die für Reinickendorf und Pankow zuständig ist. Das Gericht bestätigte ihm, dass sein Recht auf „fehlerfreie Entscheidung“ verletzt worden sei. Damit erbt der neue Innensenator Frank Henkel (CDU) ein seit Monaten schwelendes Problem von seinem SPD-Vorgänger Ehrhart Körting. Dieser hatte seit dem Frühjahr versucht, seinen Wunschkandidaten, den früheren Chef der Bundespolizei Ost Udo Hansen, durchzusetzen (siehe Chronik unten).

Henkel sprach am Mittwoch von einer „äußerst unerfreulichen Hängepartie“. Es sei Aufgabe des Senats, „dieses schwere Erbe abzutragen und endlich eine Lösung zu finden“. Es sei zu früh, um sich zu Konsequenzen zu äußern. „Aber ich schließe keine Option aus“, sagte Henkel. Juristen nennen zwei Auswege: entweder die Stelle völlig neu ausschreiben oder das Verfahren fortsetzen und die vom Gericht erkannten Mängel beseitigen.

Im Juni hatte das Verwaltungsgericht das erste Mal die Ernennung Hansens gestoppt, weil keine Auswahlgespräche mit den beiden verbliebenen Kandidaten geführt worden seien. Jetzt kritisiert das Gericht, dass die Senatsinnenverwaltung sich „in unzulässiger Weise allein auf das Ergebnis dieser Auswahlgespräche gestützt“ habe. Bei diesen hatte Hansen am besten abgeschnitten.

Doch darin sieht das Gericht ein Problem: Für Hansen habe das Gespräch eine „besondere Bedeutung“ gehabt, nicht aber für seinen Konkurrenten. Während Hansen zuletzt 1997 beurteilt worden sei und deshalb keine Erkenntnisse über seine aktuelle Leistungsfähigkeit vorgelegen hätten, sei dies bei Keese anders gewesen. Für ihn existiere eine aktuelle Beurteilung, die ihm durchgängig höchste Leistungen in seinem derzeitigen Amt bescheinigt. Diese Beurteilung habe die Senatsinnenverwaltung nicht gänzlich außer Acht lassen dürfen, urteilte das Gericht. Vielmehr sei eine „Gesamtwürdigung“ der Leistungen Keeses erforderlich gewesen.

Die Richter wurden aber auch grundsätzlich: Sie beanstandeten darüber hinaus die der Auswahlentscheidung zugrundeliegende Annahme, Hansen sei fachlich besser geeignet, weil er als ehemaliger Präsident eines Bundespolizeipräsidiums ein Amt mit mehr Kompetenzen und größerer Verantwortung bekleidet habe. Selbst wenn Hansens Amt als „höherwertig“ angesehen werde, habe diese Erwägung nicht herangezogen werden dürfen, weil dieser bereits im Jahr 2008 ausgeschieden sei und es keine Erkenntnisse über seine erbrachten Leistungen gebe. Damals lag Hansen im Streit mit dem Bundesinnenministerium und ließ sich krank schreiben. Später arbeitete er kurz für den EADS-Konzern als Sicherheitsberater in Saudi-Arabien.

Seit Anfang Juni 2011 ist die Stelle des Berliner Polizeipräsidenten unbesetzt. Geleitet wird die Polizei seitdem kommissarisch von Vizepräsidentin Margarete Koppers. Sie hatte sich im Dezember 2010 nicht beworben, da sie zu diesem Zeitpunkt erst seit knapp neun Monaten als Stellvertreterin amtierte und ausdrücklich eine „langjährige Leitungstätigkeit“ gefordert war.

Oppositionspolitiker sprachen sich dafür aus, einen „Schnitt“ in dem Verfahren zu machen und die Stelle neu auszuschreiben. Die Innenpolitiker Benedikt Lux (Grüne) und Udo Wolf (Linke) bezeichneten das SPD-Mitglied Hansen als „totale Fehlbesetzung“. Dessen Konkurrent Keese ließ derweil ausrichten: Er freue sich auf eine Fortsetzung des Verfahrens.

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