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Sich in der Öffentlichkeit mit Parfüm einsprühen? Geht gar nicht.

© Oliver Berg

Gerüche aus der Hölle: Euer Parfüm-Wahn ist alles andere als sexy

Parfümwolken im Büro, Erdbeerduft im Supermarkt, Raumspray in der U-Bahn: Was Wohlgeruch sein soll, ist für manche Belästigung – und gesundheitsschädlich.

Ein warmer Sommermorgen, die Vögel zwitschern, die Blumen öffnen ihre Blüten, es duftet nach – schwerem, süßem Parfüm. Kotz. War es die Frau in dem blauen Kleid da vorne? Oder doch die mit den Strasssteinen auf dem Shirt? Betrete ich die S-Bahn, scanne ich auf der Suche nach einem Sitzplatz zunächst die potenziellen Sitznachbarinnen: Ältere, adrett gekleidete Frauen mit Lippenstift sind gefährlich, ebenso alle Teenager. Aber genau wissen kann man es nie.

Je wärmer die Jahreszeit, desto schlimmer ist der tägliche Parfüm-Terror. Denn erst mit der schweren warmen Luft und dem Schweiß, der aus den Poren dringt, entfalten die Duftstoffe ihre volle Wirkung, erfüllen den gesamten Raum, legen sich über ihn wie ein unsichtbarer Teppich. Und mir wird schlecht. Kopfweh. Kreislauf. Muss mich wegsetzen – wenn es geht. Aber es geht nicht immer, im Büro zum Beispiel, wenn der Ventilator das Parfüm der Kollegin stetig in meine Richtung pustet. Oder beim Treffen mit einer Freundin, wenn man in der lauten Bar eng beieinanderstehen muss, um sich zu unterhalten.

Es ist die Hölle

Das Problem: Man kann Leuten nicht einfach sagen, sie sollen kein Parfüm mehr auflegen. Sie fühlen sich dann gekränkt. Parfüm ist etwas Intimes, manche sagen, es wirke wie ein Schutzschild für sie, gebe ihnen Selbstvertrauen. Ich habe versucht, darüber zu reden. Mich ernsthaft mit Freundinnen darüber gestritten, ihnen gesagt, dass es nichts Persönliches ist, dass ich nicht in der Lage bin, ein ordentliches Gespräch zu führen, wenn sie sich so einparfümieren. Vergeblich.

Sie verstehen es einfach nicht: Ich finde das nicht „ein bisschen unangenehm“. Es ist die Hölle. Als ich vier Jahre alt war, habe ich meiner Mutter einmal in die Hände erbrochen – weil sie mich anschnallen wollte und vorher Handcreme benutzt hatte, die ich, nun ja, zum Kotzen fand.

Auch viele Räume werden beduftet. In Supermärkten wird der Duft von Erdbeeren oder frisch gebackenen Brötchen versprüht, um das Kaufinteresse zu erhöhen. „Duftmarketing“ nennt man das. Wien testet aktuell eine Beduftung der U-Bahn, damit sich die Fahrgäste dort wohler fühlen. Wer sich das jetzt für die Berliner U-Bahnen wünscht: Sorry, der Duft wird in Wien über das Belüftungssystem verteilt – und das heißt bei der BVG in den meisten Zügen bekanntlich Fenster.

Duftstoffe können allergische Reaktionen hervorrufen

Dabei sorgen chemische Duftstoffe nicht nur bei manchen Menschen für Übelkeit und Kopfschmerzen. Sie sind auch für weniger empfindliche Nasen nicht komplett ungefährlich. Unter Umständen können sie zu Atemwegsreizungen und Stressreaktionen führen, bei Allergikern Asthmaanfälle auslösen.

Das Deutsche Umweltbundesamt und der Deutsche Allergie- und Asthmabund raten vom Einsatz von Raumdüften grundsätzlich ab. In Portland, Oregon, werden die Angestellten der Stadt seit einigen Jahren sogar angehalten, keine stark parfümierten Produkte zu benutzen, um die Gesundheit der Kollegen nicht zu gefährden. Und ganz ehrlich: Die U8 mit der Duftnote „Fresh Summer“ statt „Pisse und Bier“? Dit is nich mehr mein Berlin.

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