zum Hauptinhalt
Ganz Berlin ist eine Blase. Das schöne Wetter regt die Sinne an. Der Winter verabschiedet sich durch die Nase.

© Pedersen/dpa

Gerüche in der Hauptstadt: Wie riecht der Berliner Frühling?

Wir können ihn riechen, draußen vor dem Fenster, am Waldrand, auf Gartenwegen, sogar mitten in der Stadt. Aber wonach riecht der Frühling in Berlin? Nicht nach Blumen. Schnuppern Sie mit uns mal rein!

Der Berliner Frühling ziert sich, will mal in den Winter zurück und mal gleich Sommer sein, das ist so seine Art, er kann nicht anders. Wir können ihn riechen, draußen vor dem Fenster, am Waldrand, auf Gartenwegen, sogar mitten in der Stadt. Aber was riecht da? Frühblüher sind es nicht, die quälen mit ihren Pollen höchstens den Allergiker, sie selbst riechen nach gar nichts, und bevor der Flieder nicht da ist, ändert sich da nichts. Zierkirsche, Forsythie und die frühe Zaubernuss machen gute Laune beim Hinsehen, aber auch nicht für die Nase. Wer eine früh blühende Duftmagnolie in der Nähe hat, der ist nahe dran am möglichen Maximum.

Die hiesige, banale Wahrheit ist: Der abziehende Winter macht den Frühlingsduft. Es sind die modrigen, von Kleinlebewesen bearbeiteten Reste am Wegesrand, die sich in den ersten Sonnenstrahlen erwärmen und nach oben in unsere Nasen schicken. Die haben im Laufe der Zeit gelernt, sich darüber zu freuen: Ah, Frühling! Es handelt sich gewissermaßen eine genetisch verankerte Reaktion, die für unsere Region typisch ist – kein gebürtiger Brasilianer oder Norweger würde an Frühling denken, wenn er riecht, was im April vor Berliner Fenstern herumwabert. Mancher mag auch den Frühling heraufbeschwören, wenn ihm scharfe Putzmittel in die Nase steigen, weil nämlich seine Mutter damit jedes Jahr Anfang April gegen den Wintermuff vorgegangen war...

Bei uns riecht der Frühling nach Cannabis, denn seit die Temperaturen gestiegen sind, gammeln die Kiffer jetzt in den Hauseingängen der Gegend rum und verpesten die Luft.

schreibt NutzerIn stab

Wie ist es bei den Italienern? für den berühmten Parfümeur Giovanni Maria Farina machten die Düfte von Zitrone, Narzisse und Veilchen den Frühling seiner Heimat aus, und in sein Eau de Cologne, das erste Markenparfüm der Welt, mischte er Bergamotte-Öl, das ihn an einen italienischen Frühlingsmorgen kurz nach dem Regen erinnerte. Farina lebte seine Duftsehnsucht bekanntlich in Köln aus, wo es sonst nicht viel anders riecht als in Berlin. Schade: Nie hat ein „Eau de Berlin“ mehr als ironische Anerkennung verdient.

Also: Das, was bei uns die vielbeschworenen Frühlingsgefühle weckt, ist kein blaues Band, sondern graubrauner Matsch. So ist es überall in Mitteleuropa. Aber wie riecht der Berliner Frühling genau? Was erwarten wir von ihm?

Typisch Berlin ist ja eher, dass der Frühling die Befreiung versprach von den winterlichen Brandgerüchen über der Stadt, die aus den Schloten der Mietshäuser kamen, wo drunter Braunkohle verheizt wurde. Die Mischung dieser schwer lastenden Gase mit den stinkenden Hinterlassenschaften der Zweitaktmotoren – das war speziell Ost-Berlin. Der Westen dagegen – das ist noch heute nicht anders – übertönte die klare Winterluft gern mit dem Wirtschaftswundermief aus herrschaftlich flackernden Kaminen.

Vieles davon ist Geschichte, ist besser, weniger gesundheitsgefährdend geworden. Geheizt wird mit Gas, Heizöl oder Fernwärme, der Zweitaktmotor hat sich ausgestottert, und wenn mal ein Auto beim Vorbeifahren stinkt, dann ist es mit einiger Sicherheit ein Oldtimer, dem die Behörden das seltsamerweise ebenso zugestehen wie dessen Eigentümer das archaische Holzverbrennen zuhause.

Doch in der Summe belastet der Winter die Nase des Berliners heute weit weniger als vor Jahrzehnten, manchmal vertreibt sogar ein schneidender Sturm mit Nordseearoma den Muff. Und deshalb ist der Kontrast zu Frühling und Sommer längst nicht mehr so hart. Was uns da dieser Tage in die Nase fährt, ist der Kaffeeduft von belebten Straßenterrassen. Es sind die Parfümwölkchen, die eine Gruppe eifrig radelnder älterer Damen hinterlässt, und die ihren Konvoi noch in Erinnerung rufen, wenn er längst aus den Augen entschwunden ist.

Es scheint auch, dass sich in der Wärme stärker entfaltet, was in der Stadt an sich rund ums Jahr präsent ist: Die Aromawolken in der Umgebung von Currybuden und Dönerständen wirken plötzlich gegenwärtiger. Und wer genau hinschnuppernd, an den Kanälen der Innenstadt und der Spree entlang geht, der kann mit zunehmender Erwärmung und Sonneneinstrahlung auch deren typischen, etwas muffig abgestandenen Duft deutlicher wahrnehmen als im Winter. Gerade das Wasser, so scheint es, ist ein wichtiger Bestandteil der Berliner Luft, deren besonderer Duftduftduft zumindest sprichwörtlich weltberühmt ist.

Im Tiergarten riecht es zwar nicht nach Frühling, wohl aber häufig nach Urin.

schreibt NutzerIn klausbork

Man kann sie auch auf der ganzen Welt schnuppern, denn eine mit ihr gefüllte Dose ist bei Amazon für 6,99 Euro zu haben. Nicht wenig für eine leere Blechbüchse, die, mit Thunfisch in Olivenöl gefüllt, kaum die Hälfte kostet. Aber die Käufer sind offenbar zufrieden und zeigen damit, welchen ideellen Wert Berliner Luft hat. Am besten ist sie aber trotzdem von Ende März bis Mitte Mai, an Ort und Stelle geschnüffelt – und absolut gratis.

Zur Startseite