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Umherspaziert in der Vergangenheit. Ein Museum und Dokumentationszentrum in Eisenhüttenstadt macht den Alltag in der DDR anschaulich. Doch nun ist kein Geld mehr da, um zu forschen und die Ausstellung weiterzuentwickeln. Foto: dapd

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Geschichte: Die DDR geht noch mal unter

Museum in Eisenhüttenstadt stellt Forschung ein, weil kein Geld mehr da ist. Der gekündigte Leiter des Hauses befürchtet den „Tod auf Raten“.

Rund 800 000 Euro kostete die Dauerausstellung im DDR-Museum, erst vor wenigen Monaten wurde sie eröffnet. Nun aber erwartet das Museum und Dokumentationszentrum in Eisenhüttenstadt der „Tod auf Raten“ – das zumindest sagt Andreas Ludwig, der ehemalige Museumsleiter.

Eisenhüttenstadt nämlich muss sparen. Der bisherige jährliche Zuschuss in Höhe von 76 000 Euro ist gestrichen, Ludwig und einigen Kollegen aus dem ursprünglich fünfköpfigen Museumsteam wurde gekündigt. Das einst hoch gelobte Museum und Dokumentationszentrum stellt seine inhaltliche Arbeit ein. Das bedeutet: Niemand forscht mehr, arbeitet mit Wissenschaftlern und Filmproduktionen zusammen, veröffentlicht Bücher und Broschüren. Geld kommt in Zukunft nur noch aus den Kassen des Kreises Oder-Spree, und das reicht gerade für anderthalb Stellen. Personal gibt es nur noch, um die Türen aufzuschließen, Eintrittsgeld zu kassieren, das Gebäude zu heizen und zu bewachen.

Seit 1993 zeigt das DDR-Museum zehntausende Gegenstände und Dokumente aus dem Leben der Ostdeutschen. Unter dem Titel „Alltag: DDR“ ist etwa die legendäre „Schwalbe“, ein Motorroller, zu sehen, selbst gebastelte West-Antennen oder viele Beschwerdebriefe, bezeichnet als „Eingaben an den Staatsrat“. Die Dauerausstellung wird nun nicht mehr weiterentwickelt oder aktualisiert. Von einem „künstlichen Koma“ spricht ein Vertreter des Brandenburger Museumsverbands. Das Interesse an DDR-Geschichte sei ungebrochen groß, der Vermittlungsbedarf steige eher, als dass er nachlasse. „Gerade nachgeborene Generationen wollen mehr über die Verhältnisse im DDR-Staat und über die Ursachen der friedlichen Revolution von 1989 wissen“, heißt es. „Keinesfalls darf dieses Feld den privaten, oftmals latent ‚ostalgischen’ DDR-Museen überlassen bleiben.“

In der Stadt selbst sind die Meinungen über das Museum geteilt. Nur rund 9000 Besucher kamen im vergangenen Jahr. Die Rede ist von glatter Ablehnung des „DDR-Krams“ ebenso wie von „verpassten Chancen“. Viele Schüler aus der Region würden die Ausstellung gar nicht kennen, bemängeln befragte Passanten. „Vielleicht ist der Anspruch für Eisenhüttenstadt etwas zu hoch“, sagt eine pensionierte Lehrerin. „Ich habe letztens dort drei Stunden zugebracht und noch längst nicht alles gelesen oder gesehen.“ Dass es keine Bildungsangebote speziell für Jugendliche gab, sieht das Museumsteam selbst im Nachhinein als Fehler – verweist aber auch da auf fehlende Ressourcen. Immerhin 1113 Personen sprachen sich per Onlinepetition dafür aus, die inhaltliche Arbeit fortzusetzen, weitere 178 per Unterschriftenliste – doch ohne Erfolg.

Der aus (West)-Berlin stammende Ex-Museumsleiter Ludwig sieht nun schwarz für das „ostdeutsche Gedächtnis“, das er selbst vor zwanzig Jahren ins Leben rief. Eisenhüttenstadt hat zunächst für zwei Jahre die Trägerschaft des Museums übernommen, niemand wisse, wie es danach weitergehen solle, sagt Ludwig.

Schon einmal hatte es in der Region heftige Debatten über eine DDR-Ausstellung gegeben. Die Burg Beeskow sollte sich in den neunziger Jahren in einen dauerhaften Schauplatz für die hier eingelagerten 23 000 Kunstwerke aus Betrieben und Kulturhäusern verwandeln. Doch der Landkreis verweigerte alle Mittel, weil die geplante Dauerausstellung keinen regionalen Bezug hätte. Jetzt werden einzelne Gemälde nur noch sporadisch gezeigt.

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