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Berlin: Geschichtsstunde in der Remise

Thomas Lackmann las im Tagesspiegel-Salon aus seinem Buch über die Familie Mendelssohn

Sie sind fast alle da – die Mendelssohns und die Mendelssohn-Bartholdys mit und ohne Bindestrich: Der philosophierende Stammvater Moses Mendelssohn und sein komponierender Enkel Felix Mendelssohn Bartholdy – als Büsten aus weißem Gips auf schulterhohen Sockeln. Und Moses’ Tochter Henriette in schwarz-weiß auf einem Banner an der Wand der ehemaligen Remise in der Jägerstraße in Mitte. Das Bild von der Frau mit der weißen Rüschenhaube hängt direkt hinter Tagesspiegel-Reporter Thomas Lackmann. Der Autor und Nachfahre der Mendelssohns liest gerade von Henriettes „Suche nach der wahren Liebe“ – ein Kapitel aus seinem Buch „Das Glück der Mendelssohns“ (Aufbau Verlag, 575 Seiten). Eine Lesung an einem historischen Ort: Das Haus Nummer 51 unweit des Gendarmenmarkts ist der Stammsitz der Familie. Zuzeit ist dort die Ausstellung „Die Mendelssohns in der Jägerstraße“ zu sehen.

Doch die Familiengeschichte spielt auch an anderen Orten. Mit seinem verschmitzten Lächeln liest Lackmann von Henriette, der „preußischen Wahlpariserin, die zwischen allen Fronten stand“. Henriette sei „zu kränklich, zu unansehnlich und viel zu intelligent“ gewesen, „um den Mann ihrer Träume zu finden“, stellt Lackmann nicht gerade schmeichelnd fest. Und doch hat er die Unansehnliche ganz offensichtlich lieb gewonnen, ebenso wie die anderen Mitglieder der Familie. Das merkt man seiner Stimme an, wenn er sie alle fast zärtlich beim Vornamen nennt: Abraham, Paul und die beiden Arnolds – Komponist der eine, Sozialist, Abenteurer und Armenarzt der andere.

Der sei wohl sein ganz besonderer Liebling, vermutet Tagesspiegel-Herausgeber Hermann Rudolph, der den Abend moderiert, bei der anschließenden Diskussion. „Ich habe das Buch geschrieben, weil ich gern Geschichten erzähle,“ sagt Lackmann. Und Arnold Mendelssohn sei ein besonders dankbares Objekt für dieses Vorhaben gewesen: Er war in eine zwielichtige Affäre verwickelt, floh später in den Orient und arbeitete als Militärarzt im Krimkrieg. Und noch eine Vermutung hat Herausgeber Rudolph: Der Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy sei ihm nicht ganz so nahe gekommen wie die anderen Familienmitglieder. Lackmann bestätigt, Felix sei ihm anfangs ein wenig zu „glücklich, romantisch und oberflächlich“ gewesen, ebenso wie seine Musik. Die habe er zwar mit 15 geliebt, sagt der Autor. Doch jetzt höre er lieber Beethoven.

Trotzdem spielte der amerikanische Pianist Matt Rubenstein neben Kompositionen von Arnold Mendelssohn und seiner Verwandte Fanny Hensel auch etwas von Felix. Und die literarischen Köche von „Eßkultur“ servierten den Tagesspiegel-Lesern seine Lieblingsgerichte: Gänseleberpastete und Rahmkuchen. „Moses Mendelssohn hat sich zeitweise nur von Zucker ernährt, das wollten wir den Gästen nicht zumuten“, sagt Lackmann.

Nicht nur deshalb sind die Zuhörer im vollen Saal begeistert: „Das war die beste Geschichtsstunde die ich jemals hatte“, sagt Tagesspiegelleser Norbert Kracher zufrieden nach der Lesung .

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