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Berlin: Geschlossen und verkündet

Für Privatautos bleibt das Brandenburger Tor zu – nur Busse und Taxis dürfen ab 4. Oktober wieder durchfahren

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Das Brandenburger Tor bleibt für den normalen Autoverkehr auf Dauer geschlossen. Nur Linienbusse und Taxis dürfen ab 4. Oktober noch in Ost-West-Richtung durch das Tor fahren; ansonsten bleibt der Pariser Platz den Anliegern, Fußgängern und Radfahrern vorbehalten. Der Senat schloss sich gestern einem entsprechenden Vorschlag des Stadtentwicklungssenators Peter Strieder (SPD) an. Der Platz könne somit wieder „seiner traditionellen Rolle als Entree in die historische Innenstadt gerecht werden, ohne dass der Verkehr zwischen Ost und West leidet“, begründete Strieder die Entscheidung.

Während der Vollsperrung des symbolträchtigen Nadelöhrs in den vergangenen Monaten – wegen der Sanierung des Brandenburger Tores und der Neugestaltung und Pflasterung des Pariser Platzes – seien Verkehrsstaus ausgeblieben. Der Senator berief sich in diesem Zusammenhang auf eine Modellrechnung, die für 2015 eine Verkehrsspitzenbelastung im Citybereich von 5960 Kraftfahrzeugen pro Stunde voraussagt; die Kapazität der Ost-West-Straßen liege aber bei 6400, sei also langfristig ausreichend. Ein großer Teil des motorisierten Verkehrs wird auch in Zukunft von der Leipziger Straße und der Behrenstraße aufgenommen. Die Französische Straße wird bis 2004 verlängert und die Dorotheenstraße, Voß- und Niederkirchnerstraße, das Kapelle- und die Kanalufer tragen ebenfalls zur Verkehrsentlastung bei.

„Den Bund haben wir dazu nicht gefragt“, betonte Strieder. Berlin sei nun mal eine dynamische und pulsierende Hauptstadt, und das dürften die Bundestagsabgeordneten, die im Einzugsbereich des Brandenburger Tores ihr Büro haben, ruhig merken. Viele Anlieger des Pariser Platzes hätten sich in Briefen an den Senat für eine Sperrung des Tores ausgesprochen. Die Aufenthaltsqualität werde dadurch spürbar gesteigert. „Dies soll ein Ort werden, wo sich die Menschen gern aufhalten und wo man nicht ständig springen muss, um nicht überfahren zu werden.“

Den überraschenden Vorstoß des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD), der sich vor der Senatssitzung für eine komplette Sperrung des Tores ausgesprochen hatte, bezeichnete Strieder als „gut vertretbar“. Der Senat werde die Verkehrslage beobachten und, wenn auch Busse und Taxis eine Gefährung darstellen sollten, „neu nachdenken“. Aber schon wegen des Anliegerverkehrs lasse sich der Pariser Platz nicht vollständig vom Autoverkehr befreien. Außerdem könne der Wunsch von Berlinern und Touristen, das Tor zu durchfahren, mit der BVG oder Taxis weiterhin erfüllt werden. Der Anteil der Fußgänger und Radfahrer am gesamten Verkehrsaufkommen in der östlichen Innenstadt betrage aber jetzt schon 65 Prozent, so Strieder.

Ein Problem bleibe allerdings der Durchfahrtsverkehr. In kaum einer anderen Millionenstadt sei es möglich, quer durch die City schneller voranzukommen als außen herum. „Wir brauchen bessere Umfahrungen“, meinte der Senator.

CDU und FDP sind mit der Verkehrspolitik von Rot-Rot allerdings nicht einverstanden. Über die Verlängerung der Französischen Straße müsse endlich eine Grundsatzentscheidung getroffen und mit dem Bund eine dauerhafte Nutzung der Dorotheenstraße für den Durchgangsverkehr vereinbart werden, forderte der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Alexander Kaczmarek. Bis ein verbindliches Verkehrskonzept vorliege, müsse das Brandenburger Tor nach Abschluss der Sanierungsarbeiten wieder für den Autoverkehr geöffnet werden, forderte der CDU-Politiker.

Die „Torschlusspanik“ des Senats schade der Entwicklung des Berliner Stadtkerns, urteilt der FDP-Verkehrsexperte Klaus-Peter von Lüdeke. Auch die Automobilclubs ADAC und AvD wollen das Tor für Autos offen halten. Die Regierungsfraktionen von SPD und PDS stehen ohne Wenn und Aber hinter dem Senatsbeschluss, der auch von den Grünen unterstützt wird. In jüngsten Meinungsumfragen sprach sich auch eine Mehrheit der Berliner für die teilweise Schließung des Brandenburger Tores aus.

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