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Berlin: Geschminkte Wahrheiten

Stones-Tocher Jade Jagger war Ehrengast, als Lancôme den besten Visagisten kürte

Der vielleicht größte Alptraum von Gucci Westman sind ungeschminkte Gesichter. Die amerikanische Visagistin, die für große Hollywood-Produktionen, internationale Modenschauen und Fotoshootings gebucht wird, mag glamouröse und schillernde Make-ups. Ein Gesicht ohne Rouge, Lippenstift oder Lidschatten? Für Westman der Horror schlechthin. Und wer die Schnappschüsse ungeschminkter Stars in Klatsch-Magazinen kennt und weiß, dass Schauspielerinnen wie Nicole Kidman, Gwyneth Paltrow oder Reese Witherspoon zu Miss Westmans Kunden zählen, der ahnt: Die Frau muss schon einiges durchgemacht haben.

Am Donnerstagabend im E-Werk in Mitte schien für sie die Welt für die Dauer von zwei Stunden jedoch in Ordnung. Der Kosmetikkonzern Lancôme verlieh erstmals den von ihm selbst ausgelobten „Colour Designs Award“ und ließ eine Jury den „Make-up artist of the year“ wählen. Angelegt als Wettstreit der Pinsel und Quasten, stellten sich sechs Anwärterinnen dem Urteil von Juroren wie Topmodel Ines Sastre, „Vogue“-Chefredakteurin Christiane Arp und Visagisten wie Gucci Westman oder Armin Morbach. Letzterer dürfte einigen der Besucher, die das Treiben auf der eigens aufgebauten Bühne bemüht gelangweilt beobachteten, noch aus der Fernseh-Doku-Soap „Germany’s Next Topmodel“ bekannt sein.

Die Finalistinnen, die sich zuvor in Hamburg, München und Köln für den Endausscheid in Berlin qualifiziert hatten, traten im direkten Vergleich gegeneinander an. In 30 Minuten sollte jede von ihnen ein bleiches Modelgesicht in eine schillernde Persönlichkeit verwandeln - oder besser: in das, was sie dafür hielt. Also puderten, tuschten und malten die jungen Damen in ihren sechs separaten Schmink-Boxen, was die Farbpaletten hergaben. Mit dem Wettstreit solle der Nachwuchs unterstützt und Make-up als eigenständige Kunstform zelebriert werden, sagte Robin Ford, Geschäftsführer des Kosmetikkonzerns. Und in der Tat kreierten die angehenden Visagistinnen mitunter eigenwillige Looks. So verwandelten sich die ungeschminkten Schönheiten mit jedem Pinselstrich in schräge, mitunter clowneske Wesen.

Nicht alle der gut 200 geladenen Gäste erkannten die Kunst hinter derartigen Farbspielen – auch wenn sie die Entstehung der kapriziösen Malereien aus nächster Nähe miterleben konnten. Fernsehmoderatorin Frauke Ludowig, die durch den Abend führte, rutschte beim Anblick eines der Models sogar ein wenig schmeichelhafter Kommentar über die Lippen: „Oh je, what do you say to this colour?“, fragte sie Jurorin Gucci Westman. Doch die verging fast vor Entzücken ob der in lila und blau schimmernden Farbvielfalt, die sich da auf einem der Gesichter vor ihr auftat.

Am Ende gewann die Münchnerin Christina von Bülow den „Papillon 2006“. Sie durfte sich über einen Anstellungsvertrag bei dem Kosmetikhersteller sowie eine Fotoproduktion für eine Modezeitschrift freuen. Partygast Verona Pooth (ehemals Feldbusch) fand an der zur Schau gestellten Schminkkunst jedoch wenig Gefallen. Die zumeist kühlen Farben seien ihr „zu spacig“. Und das, obwohl sie selbst gerne mit verschiedenen Trends experimentiere. Pooths Gatte Franjo konnte dem Thema Make-up noch viel weniger abgewinnen: „Das macht meine Frau viel besser als ich“, sagte er. Ah ja.

Unterdessen lobte Gucci Westman die „Kreativität“ und das „Improvisationsvermögen“ aller Finalistinnen. Für die zierliche dunkelhaarige Frau fand der Abend also doch noch einen guten Ausklang, insbesondere auch deshalb, weil Model Jade Jagger ein aus London mitgebrachtes DJ-Team nach ihren Anweisungen HipHop und Artverwandtes hat auflegen lassen. Nur der skeptische Besucher dachte beim Verlassen des sanierten Industriegeländes vielleicht daran, dass die ungeschminkte Wahrheit mitunter viel leichter zu ertragen sein könnte. Leichter als clowneske, zur Kunst stilisierte Gesichtsmalereien allemal.

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