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Die Berlinale zieht jedes Jahr tausende Menschen an.

© Jens Kalaene/dpa

„Gesichter der Berlinale“: Das sind die Menschen, die das Filmfestival ausmachen

Bis zum 1. März läuft die Berlinale in diesem Jahr in Berlin. Hier stellen wir jeden Tag Besucher, Mitarbeiter und Branchenleute vor.

Was wäre die Berlinale ohne die Filmfans, ohne Kinomitarbeiter, Berlinale-Team, Prominente und Profis aus dem Filmbusiness? Vom 20. Februar bis zum 1. März veröffentlichen wir hier kleine Protokolle.

Janwillem van der Sande, Teamleiter im Berlinale Palast

Ich bin schon zum fünften Mal auf der Berlinale. Vorher habe ich am Empfang in der Staatsoper bearbeitet, bis mein Arbeitgeber mich 2016 gefragt hat, ob ich nicht zur Berlinale wechseln wolle. Nach dem zweiten Bier auf der Weihnachtsfeier habe ich schließlich zugesagt: Genau die richtige Entscheidung!

Wir sind hier im Berlinale Palast ein riesiges Team mit 70 Mitarbeitern. Als Teamleiter muss man dafür sorgen, dass alle wissen, was sie zu tun haben. Gerade in den Anfangsjahren war es sehr stressig, alles zu organisieren und den Überblick zu behalten. Danach brauchte ich zum Ausgleich meist eine Woche Urlaub.

Das Publikum hier ist sehr gemischt. Es gibt Menschen, die nur einmal im Jahr ins Kino gehen, aber auch einige Gäste, die für wirklich jeden Film kommen und immer berichten, was draußen in der Warteschlange so vor sich geht. Wir haben hier drei Premieren am Tag. Die schaffen es also jedes Mal, Tickets zu kaufen oder auf der Straße noch welche zu ergattern. Und obwohl sie das schon seit Jahren so machen, sind sie jedes Mal wieder total aufgeregt. Sie laufen drinnen umher und möchten jedem erzählen, dass sie es wieder geschafft haben. Da hat man auch beim Zuschauen seine Freude.

Janwillem van der Sande, Teamleiter im Berlinale Palast.
Janwillem van der Sande, Teamleiter im Berlinale Palast.

© privat

Einige Gäste verstehen nicht, wenn sie im Gebäude auf ihre Eintrittskarten angesprochen werden. Die brauchen sie nicht nur draußen am Eingang, sondern auch, wenn sie den Saal betreten. Manch einer weigert sich einfach, seine Karte vorzuzeigen, obwohl er sie doch in der Hosentasche hat. Die Allermeisten sind aber wahnsinnig freundlich. Wir ermöglichen ihnen an etwas teilzunehmen, auf das sie sich sehr freuen. Es gibt sogar Gäste, die uns Schokolade schenken, weil sie uns jeden Tag dort sehen und wissen, was für eine harte Arbeit das ist.

June Galgey, VIP-Betreuerin

Seit ungefähr 35 Jahren ist June Galgey omnipräsent auf dem Filmfestival. Die Berlinale-VIP-Betreuerin kümmert sich um große Stars von der Ankunft am Flughafen bis zum Abflug. Sie erfüllt Wünsche und ebnet ihnen alle Wege. In der Limousine auf dem Weg zum Hotel erzählt sie ihnen etwas über die Stadt und besondere Sehenswürdigkeiten. Sie kümmert sich um den oft viel zu eng getakteten Terminkalender und achtet darauf, dass der möglichst pünktlich abgearbeitet wird. Filme sieht sie nur, wenn die Stars das Werk selber noch nicht gesehen haben und im Kino bleiben während der Aufführung.

Ansonsten achtet sie darauf, dass im Restaurant das Essen nicht zu lange dauert, damit sich die Hauptdarsteller beim Schlussvorhang dem Publikum präsentieren können. Selbst wenn sie einen Star heimlich bewundert, darf das keine Auswirkungen haben auf die Arbeit. „Man muss in der Lage sein, Menschen zu sagen, was gemacht werden muss.“ Wenn ein großer Star noch ein bisschen bleiben will bei einem Event, interveniert sie trotzdem, wenn der nächste Termin ruft.

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Am Mittwoch hat sie Helen Mirren begleitet und war begeistert von ihrer warmherzigen Art, sich bei Interviews Zeit zu nehmen für die Beantwortung der Fragen. „Sie ist großartig, ganz freundlich und lustig.“ Mirren ist eine alte Bekannte. Mitte der 80er Jahre hat June Galgey sie zum ersten Mal betreut bei der Berlinale. Klar, dass man in einer so langen Zeit die Abläufe auswendig kennt. Sie ist beim Eröffnungsempfang in der Regel ebenso dabei wie bei der Party der Bärengewinner.

June Galgey, VIP-Betreuerin und Gesicht der Berlinale.
June Galgey, VIP-Betreuerin und Gesicht der Berlinale.

© Elisabeth Binder

Manchmal muss sie ihre Stars sogar durch die Hintertür ins Kino bringen, wenn sie spontan einen Film sehen wollen und den aktuellen Hauptdarstellern bei ihrem Auftritt auf dem roten Teppich nicht die Show stehlen wollen. Die gebürtige Südafrikanerin, die neben Englisch, Französisch und Deutsch auch Afrikaans und Holländisch beherrscht, hatte ursprünglich in London als Fremdenführerin gearbeitet, auch für VIPs.

Als ihr Mann aus beruflichen Gründen nach Berlin wechselte, folgte sie ihm und heuerte bei der Berlinale an. Inzwischen 75 Jahre alt, lebt sie längst wieder in England, aber im Februar kommt sie jedes Mal zurück nach Berlin. Immer wieder betont Galgey, dass sie viele tolle Kollegen hat und schwärmt vom guten Guest Management des Festivals. „Die VIP-Betreuer kommen aus der ganzen Welt“, erzählt sie. „Und aus allen Berufen. Wir haben einen Zahnarzt dabei, einen Architekten und auch Juristen.“ Bei der Einstellung dreht sich vieles um Sprachkenntnisse. Wenn ein koreanisches Team betreut wird, dann ist der VIP-Betreuer mit großer Wahrscheinlichkeit ein Muttersprachler aus Südkorea. Die asiatische Abteilung bei den Gäste-Betreuern ist ziemlich groß.

June Galgey hat nicht nur Stadtkenntnisse, sondern auch Einfühlungsvermögen zu bieten. „Man muss Menschen mögen, das ist eine ganz wichtige Voraussetzung für den Job“, sagt Galgey. Sie achtet beispielsweise darauf, dass ihre Stars ohne Einschränkungen eine gute Figur machen auf dem roten Teppich. Wenn Bodyguards dabei sind und die Sicht verstellen, ist es an ihr, das zu sagen und zu ändern. Schließlich sollen die Fans nicht zu kurz kommen.

In diesem Jahr war Galgey schon für Sigourney Weaver zuständig und hat Cate Blanchett zu einem Termin begleitet. Wenn mal jemand unter ihre Fittiche gerät, der noch keinen so ganz großen Namen hat, wird er genauso gut behandelt wir eine Hollywood-Ikone. Im Umgang mit den Schützlingen mag sie sich ihre persönlichen Vorlieben nicht anmerken lassen. Aber sie erinnert sich immer noch besonders gern an Billy Wilder, weil der ihr so viele Anekdoten aus seiner Berliner Jugend erzählt hat.

Jens Winter, Einsprecher

Als Einsprecher habe ich bei der Berlinale die Aufgabe, die Filme, die ja meistens Weltpremieren oder Europapremieren sind, und immer in Originalsprache laufen, gleichzeitig auf Deutsch live einzusprechen. Das heißt, ich sitze hinten im Kino und spreche alle Dialoge von allen Figuren. Gerade die Filme in der Sektion „Generation“ sind ja für sehr junge Menschen gemacht, die können die englischen Untertitel aber meistens noch nicht so schnell mitlesen und verstehen, das ist noch zu schwierig für sie. Deshalb gibt es uns – die Einsprecher und Einsprecherinnen.

Mittlerweile arbeite ich schon seit 20 Jahren bei der Berlinale – und ich bin immer noch aufgeregt. Vor jeder Premiere bekomme ich regelmäßig Schweißausbrüche. Wunderschön ist dann für mich die Situation, wenn es endlich soweit ist und ich den Film live erleben kann – mit den ganzen Kindern im Kinosaal. Sie sind ein wahnsinnig lebendiges Publikum. Oft kommen auch Schulklassen, meistens in den Vormittagsvorstellungen.

Dann sitzen da 700, 800 Kinder und gehen richtig mit. Da bekomme ich Gänsehaut. Wir bei der Sektion „Generation“ möchten den Kindern Filme zeigen, die über ihr eigenes Schicksal erzählen. Auch ein Film, der zum Beispiel in Mexiko spielt, hat viel mit Lebensläufen von Kindern hier in Berlin zu tun. Das wollen wir den Kindern gerne nahe bringen. Das und natürlich auch andere Sprachen, Kulturen, Sitten und Bräuche, die ja trotzdem ganz nah dran sind an den Kindern, weil sie in ihren Schulklassen auch ganz verschiedene Nationalitäten haben. Durch die Berlinale können sie das alles nachspüren und miterleben.

Jens Winter, Schauspieler und "Einsprecher": Er übersetzt die noch nicht synchronisierten Filme live im Kinosaal.
Jens Winter, Schauspieler und "Einsprecher": Er übersetzt die noch nicht synchronisierten Filme live im Kinosaal.

© Thilo Rückeis

Mein Arbeitsprozess sieht so aus, dass ich drei, vier Wochen vor der Premiere den Film sehe und dann entweder, bei englischen Filmen, die Übersetzung selbst schreibe, oder sie vorgelegt bekomme. Daraus erarbeite ich eine eigene Partitur. Ich verkürze und suche genau die Stellen raus, die wichtig sind zu sprechen.

Die Hauptarbeit besteht darin, den Film Satz für Satz anzugucken und dann zu entscheiden, wann ich anfange zu sprechen und wann ich aufhören muss. Dazu muss ich mich vor allem in die Tonspur, die Stimmen und Geräusche des Films hineinspüren. In der Vorbereitung sehe ich den Film bestimmt zehn, fünfzehn Mal in kleinen Stücken und dann gibt es noch zwei, drei Durchläufe, in denen ich den ganzen Film durchspreche, ohne anzuhalten, damit das Ganze nachher wirklich eins wird mit der originalen Tonspur. Diese feine Abstimmung ist mir sehr wichtig, damit die lange Arbeit der Filmemacher im Vordergrund bleibt.

Eine große Herausforderung war es für mich, einen türkischen Film urplötzlich live und simultan nur aus den englischen Untertiteln übersetzen zu müssen. Der Film wurde in der Nacht vor der Premiere noch einmal komplett umgestellt, es wurden sogar neue Szenen eingearbeitet, die ich nicht kannte.

Da musste ich mein Skript zur Seite legen – ein Albtraum – und das Beste draus machen. Das hat dann aber zum Glück ganz gut funktioniert und keiner hat’s gemerkt. In diesem Jahr sieht meine kleine Tochter übrigens ihren ersten Berlinale-Film und kann ihren Papa live beim Übersetzen erleben, darauf freue ich mich sehr.

Jella Haase, Berliner Schauspielerin

Als ich gehört habe, dass Johnny Depp in der Stadt ist, bin ich ausgerastet. Den wollte ich mit zwölf Jahren heiraten. Ich habe ihn nicht getroffen, aber es hat Spaß gemacht, sich darüber zu freuen. Die Berlinale bedeutet für mich große Euphorie, aber auch große Aufregung.

Alles ist verrückt. Ich bin diesmal mit zwei Filmen dabei, „Kokon“ und „Berlin Alexanderplatz“, das ist total spannend. Die Premiere von „Kokon“ war am Freitag und es war toll. Der Film wurde warmherzig und ganz intensiv angenommen, die Leute waren so offen und bewegt. Der Applaus nach der Vorführung beim „Talents-Screening“ hat mich zu Tränen gerührt.

Jella Haase auf der Berlinale 2020 in Berlin.
Jella Haase auf der Berlinale 2020 in Berlin.

© Annegret HilseFoto: REUTERS/

„Berlin Alexanderplatz“ wird am Mittwoch vorgestellt. Damit meine Freunde zur Premiere kommen können, sind wir am Sonntag alle ganz früh zu unterschiedlichen Kassen gestromert. Und es haben wirklich alle ein Ticket bekommen! Die Berlinale ist ja ein Publikumsfestival, und das ist toll, aber für Karten muss man deshalb früh aufstehen.

Vor vielen Jahren, 2004, war ich mit meiner besten Freundin auf der Berlinale – als Zuschauerinnen. Wir haben „Die Spielwütigen“ gesehen, eine Dokumentation über Schauspielschülerinnen und -schüler. Ich war total geflasht. „So was will ich auch machen!“, habe ich gedacht.

Natürlich ist die Berlinale-Zeit auch anstrengend. Wenn man das tausendste Foto gemacht hat, dann reicht’s irgendwann. Der ganze Trubel ist ein Stück weit überfordernd. Um diese zehn Tage durchzuhalten, ist ein guter Tipp, bequeme Schuhe anzuziehen. Am besten hilft aber echt, keinen Alkohol zu trinken. Oder weniger.

Lena Urzendowsky, Berliner Schauspielerin

Für mich fühlt es sich immer noch besonders an, auf der Berlinale zu sein. Mein erster Besuch war 2011, als ich mit einer Freundin "Anne liebt Phillipp" angeschaut habe. Zu Hause hatten wir damals keinen Fernseher und sind auch sonst eher ins Theater als ins Kino gegangen.

Zum Glück hat meine Freundin mich damals aufs Festival mitgenommen. Was für eine unglaublich tolle Atmosphäre! Ich habe diesen Film so sehr geliebt. In diesem Moment wusste ich: Ich will alles versuchen, um einmal selbst Filme zu machen. Ich war damals gerade einmal elf Jahre alt. Bis dahin hatte ich in verschiedenen Musicals mitgespielt.

In den letzten Jahren habe ich immer wieder Veranstaltungen auf der Berlinale besucht. Aber jetzt, wo ich zum ersten Mal in einem Film die Hauptrolle spiele, habe ich das Gefühl, mehr dazuzugehören. Ich spüre eine größere Berechtigung, zu den Empfängen zu gehen, auch weil mir der Film „Kokon“ sehr am Herzen liegt und ich gerne über ihn spreche. Er handelt von einem Mädchen aus Kreuzberg, das seine erste große Liebe entdeckt.

Nach ihrem ersten Berlinale-Besuch entschied sich Lena Urzendowsky, Filmschauspielerin zu werden.
Nach ihrem ersten Berlinale-Besuch entschied sich Lena Urzendowsky, Filmschauspielerin zu werden.

© Thilo Rückeis

Ich habe den Film direkt nach dem Abitur gedreht und hatte zum ersten Mal Zeit, mich hundertprozentig auf ein Projekt einzulassen. Vorher gab es nebenher immer noch die Schulbelastung. Ich hatte viel Spaß beim Drehen, weil ich mich wirklich ausprobieren konnte und die Arbeit mit der Regisseurin Leonie Krippendorff sehr genossen habe.

"Kokon" läuft im Wettbewerb "Generation 14 plus". Ich freue mich total, dass wir der diesjährige Eröffnungsfilm in der Sektion sind. Lustigerweise findet die Premiere in der Urania statt, wo ich früher als Kinderdarstellerin aufgetreten bin. Jetzt zur Filmpremiere war ich super aufgeregt und voller Vorfreude. Den Film selbst erlebe ich wie eine Art "Trip" – nicht dass ich jemals einen hatte.

Ein Film ist für mich immer voll von Erinnerungen und mit Erfahrungen des Drehs verbunden. Darum ist es anfänglich erst mal unwirklich, sich selbst auf der Leinwand zu sehen. Ich brauche ein paar Jahre Abstand, um die Filme, in denen ich mitgespielt habe, als Gesamtkunstwerk zu sehen.

Neben den Empfängen und Veranstaltungen am Abend möchte ich auf der Berlinale so viele Filme wie möglich schauen. Schließlich habe ich eine Akkreditierung. Dazu bleibt mir dann nur der Vormittag. Zwischendurch ist kaum mehr Platz für einen Kaffee. Schlafen kann ich dann vielleicht auf der Bank vor dem Kino.

Laura Widder, Merchandise-Verkäuferin

Wenn man wie ich Merchandising-Produkte der Berlinale am Potsdamer Platz verkauft, lernt man: Berlin ist wie ein maßgeschneiderter Overall. Jede und jeder kann ihn tragen. Egal ob man männlich, weiblich oder divers ist, er passt Kindern und Babys. Er ist auf den ersten Blick elegant, aber auch funktional.

Denn zur Berlinale kommen alle Arten von Menschen hierher: Berlinerinnen, Leute aus Süd- und Nordamerika, Afrika. Sie wollen alle auf ihre Weise das Festival und die Stadt erleben. Sie fragen sich: Was will ich sehen? Wen nehme ich mit? Wo möchte ich hin? Dann gehen sie ins Kino, erleben Filme, treffen auf Schauspielerinnen und Regisseure. Und wenn sie wieder abreisen, bleibt ihnen noch das Kopfkino. Alle, die hierherkommen, haben ein Bild davon im Kopf, was sie erleben wollen. Dementsprechend kaufen sie auch ein.

[Verfolgen Sie hier alle Neuigkeiten von der Berlinale im Newsblog.]

Ich habe festgestellt, dass es drei Gruppen von Käufern gibt: Die einen wollen etwas Ästhetisches, das zu ihnen passt und ihnen nutzt. Ganz viele junge Designer, Texterinnen und Modejournalisten kaufen zum Beispiel das blaue Notizbuch, das wir hier haben. Die schreiben dann in den Vorstellungen mit oder zeichnen. Sie wollen, dass sich das Event mit ihnen verbindet.

Laura Widder verkauft Merchandise am Potsdamer Platz.
Laura Widder verkauft Merchandise am Potsdamer Platz.

© Hannes Schrader

Die zweite Gruppe kauft mit Liebe ein: Sie haben vielleicht einen Neffen zu Hause oder ein Kind, das nicht mit konnte. Die kaufen dann den Schnuller oder den Teddybären. Die dritte Gruppe steht für Transparenz: Sie wollen ein T-Shirt, auf dem „70 Jahre Berlinale“ steht. Ich würde sagen, sie wollen zeigen: Ich habe die Berlinale erlebt.

Sehr beliebt ist auch der Merinoschal, einerseits weil viele aus dem Ausland Einreisende vom Winter überrascht werden, andererseits glaube ich auch, weil sie in der Fremde nach Geborgenheit suchen. Und man kann ihn natürlich auch gut verschenken. Was übrigens gar nicht funktioniert, ist das rote Auto, das wir verkaufen. Ich glaube, weil es keinen richtigen Bezug zu Kino und den Filmen hat. Die Leute wollen ja eine Verbindung herstellen zum Festival.

Knut Elstermann, Filmkritiker bei Radio Eins

An der Berlinale gefällt mir allein schon die Tatsache, dass ich dabei sein kann. Als Ost-Berliner habe ich die Festspiele damals immer im Fernsehen gesehen und gedacht: Ach, der Zoopalast! Wie toll das dort aussieht! Da wärst du auch gern dabei.

In den Jahren nach der Wende wurde ich dann selbst Teil des Ganzen. Seit vielen Jahren moderiere ich jetzt für Radio Eins von der Berlinale. Klar gab es im Lauf der Jahrzehnte auch viele Veränderungen.

Als Dieter Kosslick aufgehört hat, war das ein Einschnitt. Ich finde aber gut, wie behutsam vorgegangen wird. Der Bruch ist nicht so groß, wie man hätte vermuten können. Natürlich gibt es Neuerungen und auch eine andere Atmosphäre als unter Dieter Kosslick, der auf dem roten Teppich immer einen besonderen Charme versprüht hat. Trotzdem sehe ich im Filmprogramm auch ganz viel Kontinuität.

Was sich nicht verändert hat, ist das tolle Publikum. Ich bin jedes Jahr in Cannes, hin und wieder in Venedig, aber dieses kinobegeisterte Publikum wird man bei den anderen großen Festivals so nicht finden. Davon lebt die Berlinale.

Für mich bedeuten die kommenden Tage aber zunächst einmal viel Arbeit. Auf der Berlinale gucke ich insgesamt drei oder vier Filme pro Tag. Den Hauptwettbewerb gucke ich vollständig. Von den anderen Sektionen wie „Panorama“ oder „Forum“ schaue ich vor allem die Filme, die um 19 Uhr in meiner Sendung vorkommen.

Als die Mauer noch stand, träumte Knut Elstermann in Ost-Berlin von der Berlinale.
Als die Mauer noch stand, träumte Knut Elstermann in Ost-Berlin von der Berlinale.

© imago/Future Images

Wir haben immer wechselnde Gastkritiker da. Für mich ist das natürlich ein großes Privileg – man schaut den ganzen Tag Filme und lernt abends die Schauspieler und Regisseure kennen, die diese Werke kreiert haben. In diesem Jahr moderiere ich neben der Radiosendung auch noch an sechs Tagen das „Berlinale Studio“ im RBB, eine ganz neue Herausforderung.

Meine Arbeit macht mir auf jeden Fall Spaß. Ich bin und bleibe ein leidenschaftlicher Filmgucker. Wenn dem nicht so wäre, müsste ich mir etwas anderes suchen.

Bei einem Großereignis wie der Berlinale spüre ich anfangs eine Mischung aus Freude und Anspannung. Ich frage mich: Stehen mein Team und ich das durch? Wird jemand krank? Jetzt ist es ja zum Glück nicht mehr ganz so kalt.

Petra Blömker, Mitarbeiterin Berlinale-Verwaltung

Wo ich arbeite, ist es während der Berlinale einigermaßen ruhig. Wir haben vor und nach dem Festival viel zu tun, aber jetzt kann ich sogar abends mal ins Kino gehen. Ich arbeite in der Administration. Das heißt, ich kümmere mich um Personal, Finanzen, Vergabe von Aufträgen und alles, was sonst so anfällt. Vor und nach dem Festival bearbeite ich unter anderem Drittmittelanträge, rechne die Einnahmen des Festivals ab und kümmere mich um die Personalverträge.

Neben den üblichen Aufgaben mussten wir in diesem Jahr als Team planen, wie das Festival mit dem Coronavirus umgeht. Dazu gehört es dann auch, Plakate zur Handhygiene in die Toiletten aller Spielstätten zu bekommen. Wir planen dann den Bedarf, bestellen die Plakate und organisieren, dass sie aufgehängt werden.

Petra Blömker bestellt die Preisbären, die im Laufe des Festivals verliehen werden.
Petra Blömker bestellt die Preisbären, die im Laufe des Festivals verliehen werden.

© privat

Außerdem bin ich die Schnittstelle für die vielen Kolleginnen und Kollegen, die nicht das ganze Jahr bei uns sind. Während der Festivalzeit arbeiten ja viele Leute für uns, die die administrativen Rahmenbedingungen, unter denen wir arbeiten, nicht so gut kennen: Leute, die eigentlich künstlerisch arbeiten, müssen sich plötzlich mit Kontierung und Kostenträgern befassen oder Rechnungen schreiben. Da gebe ich mein Wissen gern weiter.

Ich arbeite seit 20 Jahren im Kulturmanagement, bei der Berlinale bin ich seit knapp sieben Jahren. Vorher habe ich lange in Belfast gelebt und gearbeitet. Ich genieße es sehr, mit Menschen aus der ganzen Welt zusammenzuarbeiten.

Ein kleines persönliches Highlight für mich ist es, die Bären für die Preisverleihung und den Ehrenbären zu bestellen. 2014 hielt ich die Bären das erste Mal in der Hand. Sie lagen in Schatullen: der goldene Bär in einer roten, die silbernen in blauen. Damit keine Fingerabdrücke auf den Bären landen, musste ich weiße Stoffhandschuhe anziehen, die die Gießerei mitliefert.

Das Erste, was mir auffiel: Die sind ganz schön schwer. Und sie glänzen – sie sind ja frisch poliert. Wir haben einen Pressebären, der das ganze Jahr für Fotoshootings im Büro steht. Aber der glänzt schon weniger. Die Preisbären dagegen: Wunderschön, und ein schönes Gefühl, an der Erstellung dieser Trophäe beteiligt zu sein.

Steffen Tobolt, Autogrammjäger

Ich war schon immer begeistert von Filmen und Schauspielern. 2006 habe ich mal ein Theaterstück mit Julia Roberts in New York gesehen. Danach stand sie noch draußen und unterschrieb Autogramme. Jemanden zu begegnen, den ich sonst nur aus Filmen kannte - dieses Gefühl hat mich so begeistert, dass ich Autogrammsammler wurde.

Im Jahr 2012 hat die Berlinale eine ganze Reihe sehr interessanter Künstler angekündigt: Meryl Streep, Antonio Banderas, Angelina Jolie, Brad Pitt und Keanu Reeves. Ich habe mir gleich Urlaub genommen. Damals wohnte ich noch in Baden-Württemberg. Ich habe mich ins Auto gesetzt und bin sechs Stunden nach Berlin gefahren.

Am 14. Februar, Valentinstag, sollte Meryl Streep den goldenen Ehrenbär bekommen. Ich stand vor dem Grand Hyatt Hotel, dort gab Meryl eine Pressekonferenz. Ich wartete seit acht Uhr und an dem Tag waren es minus zwölf Grad. Und zufällig stand Mandy neben mir.

Wenn man zehn Stunden nebeneinander wartet, wendet man sich entweder voneinander ab - oder man unterhält sich einfach. Mandy erzählte mir, dass sie den Film "Mamma Mia!" sehr mochte und deswegen ein großer Meryl-Streep-Fan war. Dann habe ich vorgeschlagen, den Titelsong zu singen, sobald Meryl rauskommt, um ihre Aufmerksamkeit zu ergattern. Das hat auch geklappt und danach haben wir uns bei Facebook ausgetauscht.

Steffen Tobolt fuhr sechs Stunden nach Berlin, um Autogramme zu sammeln - und fand seine große Liebe.
Steffen Tobolt fuhr sechs Stunden nach Berlin, um Autogramme zu sammeln - und fand seine große Liebe.

© Fotodesign Boeltz/Karin heine Pfitzer

Als ich abends nach Hause gegangen bin, war mir Meryl, ehrlich gesagt, relativ egal. Als ich Mandy gesehen und mit ihr gesprochen habe, war mir in dieser Sekunde klar: Ich bin total begeistert von ihr. Für sie war ich allerdings einer, der sechs Stunden entfernt, in Süddeutschland lebte. Das hat sie mir später erzählt. Sie war damals 18 und hatte das Abitur im Kopf.

Über Facebook blieben wir in Kontakt und haben jeden Tag gechattet. Irgendwann schrieb ich, dass ich mich in sie verliebt habe. Sie war da erstmal baff, hatte aber ihrer Cousine und besten Freundin schon von mir erzählt. Und die beiden haben gesagt: Mandy, du bist doch in den verliebt. Im Mai war ich nochmal in Berlin. Wir sind durch die Stadt gelaufen, waren im Kino, und ganz zum Schluss, als wir uns getrennt haben und sie in die U-Bahn stieg, hat sie mich geküsst.

Danach führten wir eine Fernbeziehung über 600 Kilometer. Im Februar 2018 waren wir in Island. Es war Valentinstag, sechs Jahre nachdem wir uns kennengelernt haben. Vor unserem Hotel bei Reykjavik haben wir haben uns in den Schnee gesetzt und in die Dunkelheit geguckt. Wir wollten die Nordlichter sehen.

Anfangs kamen die nicht und ich dachte schon, es geht alles in die Hose. Dann habe ich sie gefragt, ob sie meine Frau werden wollte. Und als sie "Ja" sagte, kamen die Nordlichter raus und leuchteten so hell und grün wie seit drei Tagen nicht mehr. Das war für mich wie ein kleines Wunder.

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