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Berlin: Gesichtskontrolle vom Fachmann

Türsteher und Security-Personal müssen sich künftig einer Prüfung unterziehen

Die Antwort: „Nein.“ Die Haltung: Arme verschränkt. Die Erklärung: „Heute nur Stammgäste.“ Stammgäste? „Genau. Und tschüss!“ Ein Türsteher fackelt nicht lange. Er hat Anweisung, Diskussion zwecklos. So passiert es in Berlin, so ist es auch Hollywood-Star Kevin Costner am Wochenende in Prag ergangen.

Künftig soll das anders laufen. Türsteher müssen jetzt eine Prüfung ablegen. Das verlangt der Gesetzgeber seit Anfang des Jahres. Die Prüfung bewirke einen „Qualitätsschub“, heißt es bei der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK). Und sie bewirkt Schwund bei den Zigaretten von Thomas K. Er tigert nervös auf und ab, raucht, blickt auf die anderen Wartenden. Es sind gut trainierte und knapp frisierte Herren dabei, aber auch ältere Männer mit Bauchansatz und Vollbart. Sicherheitskräfte eben. Es ist Donnerstag, mündliche Prüfung. Thomas K. ist einer von 17, die es heute versuchen. Was nicht viel ist, arbeiten doch 14 000 Menschen in Berlin als Aufpasser. Alles ist neu, dies ist erst die zweite Prüfung in Berlin. Die Branche hat Zeit bis Mitte 2005. Dann müssen alle getestet sein. Vor allem die Neueinsteiger.

Wie Thomas K. Der Security-Novize bewacht seit ein paar Monaten alles rund um die S-Bahn: Waggons, Gleise, Bahnsteige. Und zwar „mit schwarzem Barett und rotem Jäckchen.“ Das ist lukrativer. 13 Jahre hat er auf dem Bau gearbeitet, zum Schluss für 4,70 Euro in der Stunde. Zu wenig. Beim Sicherheitsdienst liegt schon der Mindesttarif bei 4,80 Euro. Er bekommt aber mehr als das, bei Schichten, die bis zu zwölf Stunden dauern.

Diese Prüfung und die Vorbereitung darauf, das sei schon sinnvoll, sagt K. Dass er die Gesetze, die „Rechtsgrundlagen“ gelernt habe, auch Psychologie und Sicherheitstechniken – gut. Aber eigentlich könne man das doch nicht lernen. „Wenn ein Schläger vor mir steht, und ich fange lang an, die Paragrafen aufzuzählen, dann krieg ich doch gleich eins auf die Zwölf.“

Die schriftliche Prüfung dauert 120 Minuten, 64 Fragen, Multiple Choice, zum Beispiel: „Worin besteht der Unterschied zwischen Notwehr und Nothilfe?“ Eine Woche später folgt die mündliche mit Fragen wie: „Stellen Sie sich vor, wir sind in einer Diskothek, ich bin betrunken und suche Streit.“ Was tun? Falsch wäre, Zuschlagen und den Streitsucher rauszerren. Richtig: „Ich rede mit den Freunden, die mit dem Betrunkenen gekommen sind, ich versuche auf sie einzuwirken.“

Man wolle das „Niveau der Branche heben“, sagt Christoph Irrgang, Geschäftsführer des Arbeitskreises Unternehmenssicherheit bei der IHK. Bisher konnte jeder, der einen dreitägigen Kurs abgesessen hatte, als Türsteher, Ladendetektiv oder „Citystreife“ eingesetzt werden. Viele schenkten sich den Kurs. Die Branche boomte, es galt: Eingestellt wird, wer kommt. So geriet das Türsteherwesen in Verruf.

Es musste was geschehen. Die Bewacher wollten Qualität. Vor allem in den Jobs, bei denen die Sicherheitskräfte mit Menschen zu tun haben. Die Gewerbeordnung wurde geändert. Offizieller Inhalt: die Sachkundeprüfung. Inoffizieller Inhalt: „Wir müssen die Rambos psychisch runterholen.“ Das sagt Dietrich Hossack. Er ist Projektleiter im Bildungsinstitut Brückner in Marzahn, wo sich eine Reihe von Prüflingen vorbereitet. Wie hart es wird, offenbarte die erste Prüfung im Januar: 50 Prozent fielen durch.

Es muss also trainiert werden. Der Lehrgang dauert zehn Tage, kostet rund 500 Euro und stellt die Teilnehmer in kurzer Zeit vor Fragen wie „Wie wirke ich auf andere?“ oder „Wie steht es um mein Selbstwertgefühl?“. Es geht richtig tief rein. Neben „Rechtliche Grundlagen“, „Sicherheitstechniken“ oder „Umgang mit Waffen“ sollen die Bewacher vor allem für psychologische Fragen sensibilisiert werden. Und so büffeln die Prüflinge nicht nur die Handhabung eines Handfeuerlöschers, sondern auch, welche Wirkung ihre Körpersprache und ihr Auftreten hat, ob sie nun breitbeinig stehen, die Arme verschränken oder jemandem „die Stirn bieten wollen.“ Es soll dabei klar werden, dass auch ihre Körperhaltung – beispielsweise: Brust raus, Nase nach oben, Blick ins Leere – durchaus Ursache eines Konflikts sein kann.

Die Aufgabe der Sicherheitskräfte sei es ja, Aggressionen abzubauen und nicht Konflikte zu schüren, so Hossack. Nicht immer einfach, weiß Prüfling Thomas K.: „Neulich in Neukölln, da ist eine S-Bahn aus dem Gleis gehopst, und dann standen da zehn Leute um einen herum und haben alle dasselbe gefragt, da tut man sich schon schwer, ruhig zu bleiben.“ Sagt’s und raucht noch eine. Dann muss er in die Prüfung. Hinterher ist Thomas K. völlig verunsichert: „Ich weiß nicht, die haben sogar was über Hundehaltung gefragt.“ Wenig später steht fest: Bestanden. Er ballt die Faust – aus Freude natürlich: „So, jetzt kann ich wieder mein rotes Jäckchen anziehen.“ Das IHK-Zertifikat kommt dann mit der Post.

Christoph Schlegel

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