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Berlin: Gestürmt – der Fußball vorm Tor

Hunderte drängelten gestern zu den interaktiven WM-Spielen

Manche sind richtig ungeduldig. „Da ist man ja so gespannt, wie beim Warten auf das nächste Tor“, stöhnt ein Junge und versucht, sich ein bisschen vorzudrängeln. Denn am Sonntag ist die Schlange vor dem großen WM-Fußball am Pariser Platz schon erschreckend lang. Mindestens dreißig Minuten muss man warten, um bis ins Innere des überdimensionalen Balles vorzudringen, der am Brandenburger Tor nun einige Wochen lang Lust auf die Fußball-WM 2006 machen soll.

Rund hundert Neugierige passen gleichzeitig hinein. Das zeigt sich gestern beim ersten großen Ansturm. Vor allem Väter und Söhne saßen vor den interaktiven Spielen, punkteten beim Fußball-Quiz oder amüsierten sich vor einer Video-Wand, die absurde Spielszenen aus vergangenen WM-Matchs zeigte.

André Heller, der große Illusionskünstler, der Gigant der Multimedia-Inszenierung, hatte gestern sein Ziel erreicht. Er wollte mit Spaß im Ball informieren, aber auf gar keinen Fall Gigantismus, sagt sein Sprecher, Reinhard Deutsch. Der Fußball vor dem Brandenburger Tor durfte sich nicht über das Tor erheben, musste quasi noch hineinpassen. Deshalb könnte sich der Info-Ball aber nun auch zu einem Stein des Anstoßes verhärten. Für den großen Fan-Ansturm ist das 20 Meter hohe Objekt einfach nicht ausgelegt. Und dennoch wünscht man sich diesen Ansturm, sagt Gaby Holtrup vom Bundesinnenministerium.

Mit Schlangen rechnet auch Reinhard Deutsch, aber eigentlich findet er das völlig okay. „Wenn’s mich interessiert, würde ich bis zu vier Stunden warten.“ Solch lange Wartezeiten versucht man natürlich zu vermeiden, durch „intelligentes Besuchermanagement“. Das bedeutet: Vereine und Schulklassen melden sich vorher an. Einzelgäste, die zu einer bestimmten Zeit nicht reinkommen, können sich Karten kaufen, die zu einem späteren Zeitpunkt gültig sind.

Etwa eine halbe Stunde werde der Durchschnittsbesucher brauchen, um alles anzusehen und auszuprobieren, schätzt Deutsch. Jede Stunde könnten rund 200 Gäste durch den Riesenball geschleust werden. Hinein strömt die Besuchermenge über eine schlichte Treppe, innendrin gibt es wieder Treppen, etwas schmalere. Rollstuhlfahrer können einen Treppenlift benutzen. Den habe man schon ausprobiert, sagt Deutsch. „Der funktioniert gut.“ Hostessen geben dem Gast die Marschrichtung vor, damit es nicht zu unnötigen Stauungen kommt. Für den Notfall gibt es eine Notrutsche aus Metall. Das klingt etwas abenteuerlich, aber die Ball-Ästhetik ließ eben nichts anderes zu. Und im Übrigen hätten die Behörden „alles genehmigt und abgenommen“.

Schlange stehen ist eben nicht genehmigungspflichtig in Berlin. Vor dem Reichstag gibt es schon seit Jahren eine. Und selbst die große Info-Box am Potsdamer Platz wurde zu Lebzeiten gelegentlich wegen Überfüllung geschlossen. Schließlich hatte niemand damit rechnen können, dass acht Millionen Menschen kommen würden, um sich eine unfertige Baustelle anzusehen.

Ähnliche Erfahrungen machte man bei der Expo in Hannover, vor drei Jahren. Obwohl nur halb so viel Besucher auf das Gelände drängten als erwartet, gab es vor den wichtigsten Attraktionen eine dramatische Schlangenbildung. Zum „Planet M“ von Bertelsmann kamen eine Million Besucher – auf die Hebebühne zur ersten Multimediashow passten aber immer nur 200 gleichzeitig. Das Resultat: zwei Stunden Wartezeit. Irgendwie hatte man damit schon im Vorfeld gerechnet, sagt eine Mitarbeiterin der Bertelsmann-Pressestelle. Schlimm fand man die Schlangen nicht. „Lässt sich halt nicht umgehen.“

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