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Begriffstreitigkeit: GEW will Deutschenfeindlichkeit abschaffen

Die Bildungsgewerkschaft will Begriff Deutschenfeindlichkeit nicht mehr verwenden – die CDU schon

In der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Berlin scheint der Streit um den Begriff Deutschenfeindlichkeit beigelegt. Der Vize-Chef der Gewerkschaft, Norbert Gundacker, sagte dem Tagesspiegel, wenn das höchste Beschlussorgan der Gewerkschaft den Begriff ablehne, werde auch er als stellvertretender Vorsitzender ihn möglichst nicht mehr verwenden. Er sei zuvor der Meinung gewesen, der Begriff bringe gut auf den Punkt, worum es geht. Die Diskussion würde weiter geführt, weil sie ein Problem an bestimmten Brennpunktschulen beschreibe. „Aber wir wurden leider auch instrumentalisiert von Menschen, die politisch woanders stehen als die GEW“, sagte Gundacker.

Die GEW-Landesdelegiertenkonferenz hatte die Ablehnung des Begriffs in einem Beschluss von Anfang November damit begründet, dass „Deutschenfeindlichkeit“ von Rechtspopulisten als Kampfbegriff gegen das Wort Ausländerfeindlichkeit erfunden worden sei und die soziale Realität demagogisch verdrehe. Im selben Beschluss sprachen sich die Delegierten gegen einen „wachsenden antimuslimischen Rassismus“ aus.

GEW-Geschäftsführer Udo Jeschal sagte gestern, der Beschluss wende sich nur gegen den Begriff Deutschenfeindlichkeit, das Phänomen werde nicht abgestritten. Vize-Chef Gundacker sagte, es sei ihm und dem GEW-Landesausschuss für Multikulturelle Angelegenheiten wichtig, sich nicht in der Diskussion instrumentalisieren zu lassen. CDU-Politiker hätten schließlich bereits gefordert, Jugendliche, die deutschstämmige Schüler mobben, abzuschieben. GEW-Sprecher Peter Sinram betonte, durch den Begriff Deutschenfeindlichkeit konzentriere sich die Debatte nur auf die Ethnie. „Alle anderen Faktoren wie eine soziale Perspektivlosigkeit oder Schulhof-Rivalitäten unter Teenagern generell fallen unter den Tisch“, sagte Sinram. Die Gewerkschaft werde sich nun darauf konzentrieren, was an den betroffenen Schulen notwendig sei und Seminare veranstalten.

Die integrationspolitische Sprecherin der Grünen, Canan Bayram, sagte: „Ohne den Begriff ist es sicherlich einfacher, vorurteilsfrei über das Thema zu sprechen.“ Die CDU hält jedoch am Begriff Deutschenfeindlichkeit fest. „Wenn Schüler mit Migrationshintergrund ihre Mitschüler ohne Migrationshintergrund als deutsche Hure oder Kartoffelfresser bezeichnen, dann wird das aus meiner Sicht vom Begriff Deutschenfeindlichkeit erfasst“, sagte der bildungspolitische Sprecher Sascha Steuer. Wie die GEW das bezeichne, sei ihm allerdings nicht so wichtig, solange über das Problem gesprochen werde. Einen Begriff wie „Schülermobbing“ finde er zu allgemein, um das Phänomen zu beschreiben.

Die Erziehungswissenschaftlerin Iman Attia von der Alice-Salomon-Hochschule betonte, der konstruktive Weg, mit dem Problem umzugehen, sei es, Schülern klarzumachen, dass sie damit eine „erlebte Ethnisierung“ – etwa durch ausländerfeindliche Schimpfworte oder Vorurteile – umdrehen. „Die Beschäftigung damit macht aber nur Sinn, wenn man die Ethnisierung in der Gesellschaft insgesamt infrage stellt.“

Karin Schädler

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