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Demo für Toleranz. Am Christopher Street Day gehen in Berlin Homosexuelle auf die Straße, um für ihre Rechte zu demonstrieren.

© dpa

Gewalt gegen Schwule: Die Dunkelziffer ist hoch

Nicht jeder Übergriff auf Schwule wird von diesen auch angezeigt. Zwar ist die Zahl der gemeldeten Angriffe leicht angestiegen, dasselbe gilt aber nicht für die Zahl der Anzeigen. Hintergrund könnte das gestörte Verhältnis vieler Schwuler zur Polizei sein - und das hat einen Grund.

Nach dem homophoben Angriff auf zwei 23 und 37 Jahre alte Männer am Wochenende in Schöneberg gibt es aus der Politik Lob für das Durchgreifen der Behörden. Am Sonntag war Haftbefehl gegen die Angreifer erlassen worden. Derweil steigt die Zahl homophober Übergriffe in Berlin offenbar an. Denn neben den registrierten Delikten geht die Polizei von einer hohen Dunkelziffer aus.

Die Bundestagsabgeordnete für den Bezirk Tempelhof-Schöneberg Mechthild Rawert (SPD), begrüßte den schnellen Haftbefehl für die Schläger. „Für die Gesellschaft wird deutlich: Homophobe Gewalt wird in Berlin auch von Polizei und Staatsanwaltschaft als das bewertet, was sie ist – eine Straftat“, sagte Rawert. Die Kreisvorsitzende der Schwusos im Bezirk, Petra Nowacki, zeigte sich schockiert von den Übergriffen im Kiez rund um die Fuggerstraße, der für seine Lesben- und Schwulenszene bekannt ist. Es sei traurig, dass es in dem grundsätzlich toleranten Kiez noch immer zu solchen Übergriffen komme, sagte Nowacki. Dabei gibt es in Schöneberg laut Zahlen des Schwulen Anti-Gewaltprojektes „Maneo“ mit 54 Fällen im Jahr 2011 berlinweit die häufigsten Angriffe wegen sexueller Orientierung. Gefolgt von Kreuzberg mit 35 und Mitte mit 21 Fällen.

In den letzten Jahren stieg die Zahl der gemeldeten Angriffe von 394 im Jahr 2009 auf 422 Fälle 2011 leicht an. „An den Anzeigenzahlen kann man das aber nicht sehen“, sagte Maria Tischbier, eine von zwei Ansprechpartnern beim Landeskriminalamt speziell für gleichgeschlechtliche Lebensweisen. Eine Erhebung des LKA weist sogar einen leichten Rückgang bei Straftaten gegen die sexuelle Orientierung aus. „Daran lässt sich keine Tendenz ablesen“, sagt Tischbier.

Die Bilder vom CSD 2012:

Viele Attacken würden nicht zur Anzeige gebracht, etwa aus Scham oder um dem Vorfall keine zu große psychologische Bedeutung zu verleihen, vermutet Tischbier. Auch das Vertrauen in die Polizei sei in der Szene nicht ausgeprägt, da die Polizei bis zu einer Gesetzesänderung 1994 Homosexuelle nach dem Strafgesetzbuch-Paragrafen 175 selbst verfolgt hatte. Die SPD-Politikerin Rawert rief die Opfer auf, sich dennoch an die Behörden zu wenden. „Die Polizei ist nicht mehr blind für solche hassmotivierten Straftaten“, sagte sie. Das Vorgehen der Behörden im aktuellen Fall mache Mut.

In der Nacht zu Samstag sollen zwei Deutsch-Russen – 33 und 31 Jahre – die Opfer in der Fuggerstraße in Schöneberg an einer Imbissbude schwulenfeindlich beleidigt, verfolgt, geschlagen und getreten haben. Selbst die Flucht in ein Restaurant hielt die Täter nicht ab. Vor den Augen der Restaurantbesucher schlugen sie auf ihre Opfer ein, bis der 37-Jährige zu Boden ging und das Bewusstsein verlor. Die Polizei nahm die Verdächtigen wenig später in Tatortnähe fest. Der 33-Jährige sitzt in Untersuchungshaft, sein mutmaßlicher Komplize wurde gegen Auflagen freigelassen.

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