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Berlin: Gewalt in der Familie: Eine Frau verzeiht - 33 Messerstichen zum Trotz

Seine Eifersucht kam gewissermaßen promillebedingt zum Tragen. Erst trank Rama B.

Seine Eifersucht kam gewissermaßen promillebedingt zum Tragen. Erst trank Rama B. im Wohnzimmer ein Bier nach dem anderen, dann begann er im Leben seiner Frau fremde Männer zu sehen. Es war die Nacht zum 2. Mai, als die vierfache Mutter die Lust zum Widerspruch verlor. Jaja, stimmt, sagte sie knapp.

Es war eine verhängnisvolle Antwort, und danach ging alles sehr schnell: Der 33-Jährige zog in seiner Wut ein Küchenmesser und stach auf seine Frau ein. Laut Staatsanwalt rammte er ihr die Klinge in den Hals, die Brust, den Rücken. 33 Mal. In die Ecke des Zimmers gedrängt, blieb der 26-Jährigen nur noch ein Fluchtweg. "Ich bin durchs Fenster gesprungen", sagt Trajka B. im Gerichtssaal. Vier Stockwerke, rund 12 Meter tief stürzte die junge Frau. Dass sie die lebensgefährlichen Stichverletzungen und den Aufprall überlebte, grenzte für die Ärzte an ein Wunder.

Noch immer schwer gezeichnet betritt Trajka B. am Mittwoch das Berliner Landgericht. Sie hält den Oberkörper steif, zieht langsam humpelnd ein Bein nach, der Hals ist mit Narben bedeckt. Bevor sie vor die Richterbank tritt, bleibt die Jugoslawin kurz stehen und nickt lächelnd in Richtung Zuschauerbank, wo Schwager und Schwägerin sitzen. Sie haben ihre Aussage bereits verweigert.

Als Trajka B. 1991 aus Jugoslawien flüchtete, war sie 17 Jahre alt und gerade frisch verheiratet. "Damals sind in der Heimat die Männer eingezogen und in den Krieg geschickt worden", übersetzt die Dolmetscherin die Worte der Zeugin. Das junge Paar brachte man mit der Familie des Bruders in einem Marzahner Wohnheim unter, wo es bis zuletzt in einem Zimmer lebte. Einen Beruf hatte ihr Mann nie gelernt, er blieb die Jahre über arbeitslos. Bald nach der Ankunft in Berlin kam der Nachwuchs: Der älteste Sohn ist heute neun Jahre alt. Bei ihrer fünften Geburt machte sich Trajka B. gar nicht mehr die Mühe, in ein Krankenhaus zu fahren: Das Baby kam vor sieben Monaten im Zimmer der Familie zur Welt. Nein, sagt die 26-Jährige, eine Hebamme oder Krankenschwester habe man nicht gerufen. "Mein Mann hat mir geholfen."

Auch sonst lässt die junge Frau, eine Roma, nichts Schlechtes über ihren Mann verlauten. "Wir haben gut zusammengelebt", sagt sie mit fester Stimme. Als die Richter sie über ihren Aufenthalt im Frauenhaus und frühere Gewaltexzesse des Ehemannes befragen wollen, weicht sie aus. Nein, sagt Trajka B., sie wolle ihren Mann nicht anklagen. "Ich habe ihm verziehen." Drei Monate lang lag die Jugoslawin auf der Intensivstation. Wenn sie wie geplant in vier Wochen aus der Rehabilitationsklinik entlassen wird, will sie zunächst ihre Kinder aus dem Heim holen. Dann zum Sozialamt gehen und für die Familie einen Platz im Wohnheim sichern. Und weiterhin auf ihren Mann warten.

Drei ihrer Kinder waren noch wach, als Trajka B. in jener Nacht auf dem Fenstersims stand und ihr Mann ihr in den Rücken stach, trotzdem: "Die Kinder sagen, dass sie ihren Vater gerne sehen wollen", erklärt die 26-Jährige. Immer wieder lassen ihre Antworten ein fassungsloses Raunen durch die Zuschauerbänke gehen. "Haben Sie denn gar keine Angst vor ihrem Mann", fragt der Verteidiger. "Nein, warum sollte ich?"

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