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Gewalt- und Suchprävention: In der Pause passen die Buddys auf

Das Projekt Buddy will Grundschüler stark gegen Gewalt und Sucht machen, indem ältere Schüler sich um die Schwächeren kümmern. Ab dem Frühjahr soll die Initiative an allen Berliner Grundschulen Einzug halten.

Berlin - Aufgekratzt toben Schüler in kleinen Gruppen über den Schulhof und versuchen, sich zu fangen. Andere treten gegen bunte Schaumstoffbälle. An der Rutsche im Sandkasten hat sich eine Schlange gebildet. Über den Platz hallt Kindergeschrei - an der Annedore-Leber-Grundschule in Lichtenrade hat die zweite große Pause für mehr als 600 Schüler begonnen.

Mitten im Getümmel wird ein schwarzhaariger Schüler von vier kleineren Mitschülern im Sandkasten heftig umklammert. Doch der wehrt sich und wirft die anderen in den Sand. Ein Junge lässt von dem Gerangel ab und läuft auf eine Frau zu, die die Schüler aus einiger Entfernung beobachtet.

Föderung durch Vodafon-Stiftung

"Wir spielen nur Catchen mit Ragheb, Frau Strack", ruft ihr der Junge zu. Christiane Strack ist die Konfliktpädagogin der Schule. Die freundlich-resolute Frau unterrichtet hier seit 1972. Früher lehrte sie Mathematik und war Klassenlehrerin, heute leitet sie Verhaltensprogramme für auffällige Schüler.

Darunter ist das seit 2003 von der Vodafon-Stiftung geförderte Buddy-Projekt. Es soll Schüler in ihrem Selbstwertgefühl stärken, indem ihnen Verantwortung übertragen wird. Sie werden zu Buddys, also zu Kumpeln für Schwächere gemacht. Dadurch sollen sie Sucht und Gewalt besser widerstehen können.

Ragheb ist einer von derzeit 13 Buddys, die während der Hofpausen auf jüngere Schüler aufpassen, die verhaltensauffällig geworden sind. Sie kümmern sich um ihre Buddy-Kinder. Bevor Ragheb die neue Aufgabe übernahm, hatte auch er oft Ärger auf dem Schulhof. Doch seit er helfen darf, gibt es kaum noch Streit mit ihm.

Nach der sechsten Stunde sehen sich Strack und Ragheb wieder. Die Buddys kommen in einem ebenerdigen Klassenraum mit Blick auf den Hof zu ihrem monatlichen Treffen zusammen. Heute sind nur zwei Mädchen und vier Jungen im Alter von elf und zwölf Jahren gekommen, alle aus der 6. Klasse. Die anderen Buddys sind krank.

Training durch Rollenspiele

Die Schüler setzen sich um drei zusammengeschobene Tische in der Mitte des Klassenzimmers und sprechen über ihre jüngsten Erlebnisse. Sorgen machen sie sich vor allem um den kleinen Max. Dessen großer Bruder habe ihm seinen "Anti-Aggressions"-Ball zerrissen und gerufen, den brauche er nicht. Dabei hatte Max den Ball extra von einem Lehrer bekommen - für den Fall, dass er wieder richtig wütend wird. Strack verspricht den Buddys, sich um den Fall zu kümmern.

Dann teilt Strack die Kinder in zwei Gruppen auf. In einem Rollenspiel sollen sie trainieren, was zu tun ist, wenn "ihre" Kinder in Schwierigkeiten geraten. Die Übung heißt Spiegeln.

In einer Ecke haben sich Sammy und Dario einander gegenüber gesetzt, Julien sieht von der Seite aus zu. "Ein großer Junge hat mich in der großen Pause getreten und dann bis ins Klassenzimmer verfolgt", erzählt Sammy. Sie spielt ein Buddy-Kind. "Ach, ein Junge hat dich in der Pause getreten und verfolgt. Weißt du, wer der Junge war?", fragt Dario in der Rolle des Buddys und sieht Sammy dabei in die Augen. "Nein, gar nicht", gibt Sammy zurück. Dario verspricht, er werde in der nächsten Pause bei ihr bleiben und aufpassen.

Klassen-Buddys für Hausaufgaben und Verhalten

Als Strack nachfragt, erläutert Sammy, wie das Spiegeln wirkt. Das Buddy-Kind fühle sich verstanden und getröstet, "weil der Buddy erst einmal das wiederholt hat, was das Kind zuvor selbst sagte". Julien als Beobachter hat an Dario gestört, dass er sich von Sammy wegdrehte und auch auf sie herunterschaute.

Strack lobt Julien und betont, wie wichtig es sei, einem Buddy-Kind in Not immer auf gleicher Höhe zu begegnen - "auch in der Körperhaltung". Dann lässt sie die Kinder die Rollen tauschen. Nachdem sich jeder einmal in jede Rolle versetzt hat, ist die Stunde zu Ende.

An der Annedore-Leber-Grundschule gibt es auch Klassen-Buddys. Deren Aufgabe ist es, quirlige Mitschüler an ihre Hausaufgaben zu erinnern und sie bei Verhaltenstrainings zu unterstützen. Ab dem Frühjahr sollen Buddy-Projekte für Schüler der 5. und 6. Klassen an allen Berliner Grundschulen anlaufen. (Von Arnulf Wieschalla, ddp)

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