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Gewaltopfer Jimmy C.

© Georg Moritz

Gewaltopfer Jimmy C.: „Ich traue keinem Fremden mehr“

Vor vier Wochen wurde Jimmy C. in der Diskothek Q-Dorf brutal attackiert. Noch immer ist unklar, ob er seine volle Sehkraft wiedererlangen wird - und auch psychisch hatte die Attacke Folgen.

Ein 40-Jähriger sitzt vermummt in einem Vereinslokal in Wedding. Seine Mütze hat er, zu Beginn des Gesprächs, tief in die Stirn gezogen, seine Augen sind mit einer dunklen Sonnenbrille bedeckt. Jimmy C. möchte nicht erkannt werden. In der Nacht zum 31. Dezember wurde er Opfer eines Angriffs in der Charlottenburger Diskothek Q-Dorf. Noch immer gibt es von den drei Tätern keine Spur. Nur fünf Hinweise hat die Polizei bisher erhalten, und auch die Auswertung von Videomaterial der Überwachungskameras im Q-Dorf brachte keine Ergebnisse. Die Täter könnten auch Touristen sein und gar nicht in Berlin leben, das mache die Ermittlungen umso schwerer, sagt ein Sprecher der Polizei.

Der Haupttäter wird mit einem Phantombild gesucht. Er soll den Kenianer Jimmy C. rassistisch beleidigt und ihm mit einem Trinkglas ins Gesicht geschlagen haben. Dabei erlitt C. schwere Verletzungen am rechten Auge. Der dunkelhäutige Mann arbeitet seit zwei Jahren in der Diskothek und ist dort im Logistikbereich unter anderem für die Reinigung der Toiletten zuständig. Ob er dort jemals wieder arbeiten kann? Jimmy C. weiß das nicht. „Ich habe ein mulmiges Gefühl, weil ich nicht weiß, ob die Täter zurückkehren werden“, sagt er.

Der Vater zweier Kinder lebt mit seiner kenianischen Ehefrau in Berlin. Bisher hat er sich in der Stadt sicher gefühlt. Jetzt nicht mehr. „Ich habe nachts Albträume und Panikattacken“, sagt er.

„Menschen, die wie Jimmy C. Opfer einer Gewalttat geworden sind, ziehen sich meistens extrem zurück. Sie vermuten überall Feinde und trauen niemandem mehr“, sagt der Berliner Opferbeauftragte Roland Weber. Jimmy C. ist in Begleitung einer Freundin zum Interview gekommen, allein geht er nicht mehr aus dem Haus. Sein Gesichtsausdruck ist starr, kein Zucken, kein Lächeln ist zu erkennen. Er wirkt hart und unnahbar und kaut permanent Kaugummi. Vor fünf Jahren ist er aus Kenia nach Berlin gekommen. Doch so richtig Fuß gefasst hat er hier nicht. „Es ist schwierig für einen Ausländer in Berlin. Ob ich einen Job oder eine Wohnung suche, wenn die hören, dass ich schwarz bin, hab ich keine Chance mehr“, sagt er.

Deutsche Freunde habe er nur wenige. In seiner Freizeit engagiert er sich für die kenianische Gemeinde und investiert viel Zeit in seine ehrenamtliche Arbeit für Integrationsprojekte im Verein New Generation. Jimmy C. möchte dazu gehören, einen festen Platz in der Gesellschaft haben. Er hat in Kenia bildende Küste studiert und auch einen Abschluss gemacht. Im Q-Dorf arbeitet er für 6,50 Euro die Stunde, reinigt die Toiletten und sammelt die benutzten Gläser der Gäste ein. In der besagten Nacht sei ein Gast auf ihn losgegangen. „Er hat mir ein leeres Glas ins Gesicht geschlagen und ,Du scheiß Ausländer‘ geschrieen.“ Er habe einen stechenden Schmerz am rechten Auge gespürt und das Blut sei an der Wange heruntergelaufen. Ein Rettungswagen brachte Jimmy C. in die Klinik. „Die Polizei kam erst eine halbe Stunde später. Sonst sind die bei Schlägereien schneller da“, sagt Jimmy.

Opferbeauftragter Weber, der ähnlichen Vorwürfen vielfach nachgegangen ist, sagt allerdings: „Aus den Notfallprotokollen der Polizei ergibt sich meistens keine Hautfarbe. Niemand nennt so eine Information bei einem Notruf.“ Auch die Berliner Polizei bestreitet den Vorwurf, absichtlich getrödelt zu haben. Nach Angaben einer Sprecherin bat die Feuerwehr die Polizei um 0.43 Uhr um Unterstützung. Als Anlass wurde genannt, dass nach einer Körperverletzung im Q-Dorf eine Anzeige aufgenommen werden müsse. „Die Eilbedürftigkeit wurde nicht richtig erkannt, so dass der Polizeiwagen ohne Blaulicht kam“, sagt die Sprecherin. Der Einsatzauftrag sei aber an das nächste freie Fahrzeug herausgegeben worden, das um 1.07 Uhr eingetroffen sei.

Jimmy C. erzählt, wie die Ärzte zwei Stunden benötigten, um die vielen Glassplitter aus seinem Auge zu entfernen. In zwei Monate müsse er sich einer weiteren Operation unterziehen. „Ich habe zwar mein Augenlicht behalten, aber ob ich jemals wieder die volle Sehkraft erreichen werde, weiß ich noch nicht.“ Noch immer leide er unter starken Kopfschmerzen. Er ist fest überzeugt, dass es ein gezielter Angriff auf ihn als Dunkelhäutigen war. Ob er nicht auch zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen sein könnte? „Nein, das glaube ich nicht. Die hatten das auf mich abgesehen.“ Deshalb traue er auch keinem Deutschen mehr. Seinen Freunden auch nicht? „Keinem Fremden mehr.“

Am Sonnabend veranstaltet der Verein New Generation ab 19 Uhr eine Solidaritätsparty für Jimmy C. im Flüchtlings- Camp am Oranienplatz in Kreuzberg.

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