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Berlin: Gib Gummi

Politik als Satire: „Die Partei“ füttert Punks am Alex und kürt ihre Spitzenkandidatin in Kreuzberg

Wenn man sie braucht, sind keine da. Martin Sonneborn, Chefredakteur der Satirezeitschrift Titanic und Vorsitzender der „Partei“, musste gestern auf dem Alex erst die Polizeistreife fragen, wo sich hier die Punker treffen, um sie mit Hilfe von 23 „Politikpraktikanten“ mit Zigaretten und Kaugummis zu beschenken.

„Wir wollen populistische Bilder schaffen“, sagte Sonneborn im akkuraten grauen Anzug. „Bislang sind unsere Ziele von der Öffentlichkeit eher negativ wahrgenommen worden, zum Beispiel, dass wir uns gegen Angela Merkel einsetzen. Diese Aktion soll zeigen, dass wir uns um die sozial Benachteiligten kümmern und keine Berührungsängste haben.“ Die jungen Punks zeigen sich interessiert an dem Wahlprogramm. „Habt ihr auch ’ne Internetseite?“ fragt eine junge Frau mit Dreadlocks. Als Sonneborn einem Verkäufer des „Straßenfeger“ die Hand schütteln will, zieht er sich vorher einen roten Gummihandschuh über.

Über eine Anzeige in der Titanic hat Sonneborn seine Wahlkampfhelfer gefunden. Die kommen aus ganz Deutschland. Lino Wirag studiert in Hildesheim Kreatives Schreiben und ist regelmäßiger Titanic-Leser. Einer Passantin erklärt er die Wahlziele der „Partei“. „Wir wollen die Mauer wieder aufbauen und sind gegen Angela Merkel als Kanzlerin.“ Die Frau blickt ungläubig und weiß nicht, ob sie den Studenten im grauen Kittel mit „Partei“-Aufdruck ernst nehmen soll. „In einer großen Partei würde ich mich nie engagieren“, sagt Wahlhelfer Laurence Thio. „Diese Aktion hier ist auch ein Stück Protest gegen die aktuelle Politik.“

„Die Partei“ ist zur Bundestagswahl zugelassen und kann bundesweit gewählt werden. Auf Ebay hat sie 25 Sekunden ihres Wahlwerbespots für 14 000 Euro an eine Privatperson versteigert. Allerdings hat sich auch ein „börsennotiertes Unternehmen aus der Tourismusindustrie“ gemeldet, das einen sechsstelligen Betrag dafür zahlen wolle. In den nächsten Tagen wird „Die Partei“ mit weiteren Aktionen auf sich aufmerksam machen. Am Donnerstag stellt sie sich unter dem Motto „Trinker fragen – Politiker antworten“ im „Clash“ an der Gneisenaustraße 2a den Fragen der Kneipengäste. Freitag ab 20 Uhr gibt es eine Wahlkampfparty im alten Reichelt-Gebäude in der Bergmannstraße. Dort soll auch die Kanzlerkandidatin gekürt werden. Wichtigstes Kriterium: jung und hübsch. Dabei stellt auch Rocko Schamoni den Wahlkampf-Song „Wir müssen eine Mauer bauen“ vor. jj

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