zum Hauptinhalt
Bislang kein Gift entdeckt. Die Grundschule Nordstadt ist die älteste in Forst.

© promo

Giftiges Erbe: Trotz Krebs-Angst: Wieder Unterricht an Forster Schule

Verursachten Chemierückstände Krebs bei Schulkindern in der Neißestadt Forst? Nach ersten Untersuchungen gibt es Entwarnung.

Von Sandra Dassler

Für Isabell-Marie dauern die Osterferien etwas länger. Die Siebenjährige wird an diesem Montag nicht in ihre Schule gehen. Und wahrscheinlich nicht die einzige sein, die dem Unterricht in der Grundschule Nordstadt in Forst fern bleibt. Viele Eltern haben Angst, weil drei Kinder der Klassenstufe vier an Krebs unterschiedlicher Form erkrankt sind und der Boden unter dem Schulstandort schon länger als belastet gilt.

„Ich habe großes Verständnis für diese Sorgen“, sagte der stellvertretende Bürgermeister von Forst, Sven Zuber (CDU), dem Tagesspiegel: „Aber wir haben sehr sorgfältige Messungen vorgenommen und seit Freitag liegen die ersten Ergebnisse vor. Danach werden alle in der Schule gemessenen Werte vom Speziallabor als unauffällig eingestuft. Es gibt keine Hinweise darauf, dass es gesundheitliche Gefahren am Standort gibt.“

Bernd Schneider, Isabell-Maries Vater, überzeugen die ersten Ergebnisse nicht. „Ich fühle mich wie viele andere Eltern nicht ausreichend informiert“, sagt er: „Und ich habe kein Vertrauen in die Behörden, weil sie die ganze Sache so lange geheim gehalten haben.“

Man wusste von den Schadstoffen

Ende Februar war die Häufung der Krebsfälle entdeckt worden, doch erst am 26. März wurden die Eltern der 257 Schülerinnen und Schüler in einem Infobrief darüber informiert. Die Nordstadt-Schule ist die älteste in der 20 000-Einwohner-Stadt. Teilweise entstand sie bereits 1856, doch erst nach der Erweiterung wurde das rote Schulgebäude 1872 offiziell eröffnet. In der Zeit von 2003 bis 2005 wurde die Schule vollständig saniert – zu diesem Zeitpunkt wusste man bereits, dass die in der Nähe ansässige „Lausitzer Textilreinigung Forst“ zu DDR-Zeiten viele Schadstoffe hinterlassen hatte.

Unterirdische Bodengifte, wahrscheinlich durch leicht flüchtige chlorierte Kohlenwasserstoffe (LCKW) hervorgerufen, die von der Reinigungsfirma jahrzehntelang als Lösungsmittel genutzt wurden, bildeten eine Blase unter der Forster Nordstadt. 2003 mussten daher Spielplätze gesperrt werden, erinnert sich Dieter Friese. Er war damals Landrat im für die Beseitigung der Umweltschäden zuständigen Spree-Neiße-Kreis: „Allerdings wurde festgestellt, dass die Giftblase so tief lag, dass keine Belastung an der Oberfläche festzustellen war. So wurde lediglich untersagt, in dem Bereich Brunnen zu bauen, und ein ständiges Monitoring wurde eingerichtet.“

Dass viele Eltern dennoch ihre Kinder nicht in die Schule bringen, kann Dieter Friese verstehen. „Ich würde mir auch Gedanken machen“, sagt er, „wir haben zwar alles getan, um die Gefahr einzudämmen, aber die Blase mit dem belasteten Grundwasser ist nun einmal da.“ Allerdings gebe es solche unterirdischen Gefahrenherde auch in anderen Städten, sagt Friese, „beispielsweise in Cottbus und sicher auch in Berlin.“

Bürgermeister sieht keine Beweise

Auch deshalb halten nicht wenige Einwohner in Forst die Bedenken für völlig überzogen. „Wir haben hier immer mit den Tuchfabriken und Chemiebuden gelebt“, sagt ein Mann: „Und wenn da was Krebserregendes wäre, müssten ja die Menschen, die in den Häusern rund um die Schule wohnen, sich also den ganzen Tag dort aufhalten, längst tot sein.“

Bernd Schneider will Isabell-Marie dennoch nicht in die Schule gehen lassen. Er habe, sagt er, dort selbst einmal als Hausmeister gearbeitet und damals ungewöhnlichen Schimmelbefall festgestellt. Um diesen zu beseitigen, sei eine Be- und Entlüftungsanlage installiert worden, durch die Gift in die Schule gelangt sein könnte.

Das sei blanke Spekulation, für die es keine Hinweise gäbe, sagt der stellvertretende Bürgermeister Sven Zuber: „Wir sind mit Umwelt- und Gesundheitsamt in ständigem Kontakt. Alle Experten geben Entwarnung.“ Der Arbeitsmedizinische Dienst der Stadt habe im März 2015 zwei Wochen lang Messungen vorgenommen, die jetzt ausgewertet wurden. Die Untersuchungen richteten sich auf etwa 50 Stoffe, von denen Gefahren ausgehen könnten. Sie wurden an allen vier Messstellen im Keller und im Erdgeschoss der Schule nicht nachgewiesen.

Keine Konsequenzen für Kinder, die nicht in die Schule gehen

Um sicher zu gehen, werde es weitere Untersuchungen auf mögliche chlororganische Verbindungen im Boden und in der Außenluft geben, sagt Zuber. Die Raumluft werde auf etwa 100 Stoffe geprüft – im Schul- und Hortgebäude, in der Turnhalle und auf dem Außengelände. „Wir haben damit alle Forderungen der Elterninitiative, die sich gegründet hat, erfüllt“, sagt Zuber: „Und bis Ende dieser Woche wissen wir definitiv, ob es irgendwelche erhöhten Werte gibt.“

Zumindest bis dahin soll es für jene Forster, die ihre Kinder heute und in den nächsten Tagen nicht zum Unterricht schicken, keine Konsequenzen geben. Mit dem Schulamt Cottbus sei vereinbart, dass diese Eltern nicht wegen Verletzung der Schulpflicht belangt werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false