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Berlin: Gin, Gin, Dschingis-Khan

Die neu eröffnete Gobi-Bar in Kreuzberg ist bereits Treffpunkt für viele Berliner Mongolen. Cocktails mit echtem Blattgold und zentralasiatische Hits sollen jetzt auch die Deutschen locken

Immer Donnerstag und Sonntag Nachmittag startet in Tegel der Airbus „Dschingis Khan“ der mongolischen Airline Mait in Richtung Ulan Bator. An Bord sind dann viele mongolische Studenten aus Berlin, die ihre Familien besuchen, aber auch mancher deutsche Tourist, den die Sehnsucht nach Exotik in das zentralasiatische Land zieht. Vielleicht kann man sich die neun Stunden Flug jetzt sparen. Seit ein paar Wochen gibt es in Kreuzberg die Gobi-Bar. „Wir sind die einzige mongolische Kneipe in Berlin“, sagt Uuganbaatar Rentsenhand, der die Bar vor ein paar Wochen mit zwei deutschen Freunden eröffnet hat. „Für Mongolen und für Deutsche.“

Wer die Treppe zur schiefen Eingangstür im Souterrain runtersteigt, erwartet einen Proberaum für eine Abi-Band. So schlimm wird es nicht. Aber zentralasiatisches Flair? Fehlanzeige. Dafür zwei gold-braun gestrichene Zimmer, der Eingang mit bunten Steinen verziert. Immerhin: Neben Wodka und Gin gibt es den „Jurte-Cocktail“ für vier Euro. Der wird mit einer echten Blattgoldschicht serviert. Auch keine mongolische Tradition, aber Blattgold gibt es nicht in jeder Kneipe. Und Gobi-Bar-Chef Jens sagt noch, dass sie ihm „das Zeug jahrelang gegen Rheuma gespritzt haben“.

Fremdländisch machen die Gobi-Bar ihre Gäste. Die Kneipe am Tempelhofer Ufer ist zum Treffpunkt mongolischer Studenten geworden. Die Männer tragen lockere Sportkleidung, die Frauen enge Jeans und Cowboy-Stiefel. Den Wodka bestellen sie, wie sie das von zu Hause gewohnt sind: in 100-Gramm-Portionen und pur. Ab zehn Uhr legen DJs auf. Neben Independent-Musik laufen Hits aus der Mongolei – amerikanische Chart-Musik, aber Eminems Stimme umwabert mongolischer Gesang.

Alle paar Wochen bringt Uuganbaatar Rentsenhand mongolische Filme mit, aus der Videothek oder wenn Freunde sie ihm schicken. Letzte Woche hat er eine Art mongolischer „Kevin allein zuhaus“ gezeigt. In dem – übrigens deutsch synchronisierten – Streifen sitzt ein alter Mann allein in seinem Jurte-Zelt, während zwei junge Diebe immer wieder versuchen einzubrechen und ihm ein Amulett zu klauen. „Die Filme sind für die Deutschen amüsant, für uns sind sie auch eine Art Heimaterinnerung“, sagt Uuganbaatar Rentsenhand. Denn allzu oft kann man sich die Heimreise nicht leisten. Die Gobi-Bar ist für den 28-Jährigen ein Experiment. Deshalb öffnen er und seine beiden deutschen Freunde Jens Trittelvitz und Wolfgang Albrecht die Bar erst mal nur von Donnerstag bis Samstag. Vorsichtshalber haben sie ihre Jobs in einer Bausanierungsfirma behalten.

Ein Viertel der Barbesucher sind Deutsche, Kontakte mit den mongolischen Studenten bisher eher selten. Dabei, sagt Rentsenhand, würde sich Völkerverständigung beim Blattgold-Drink lohnen. Die Mongolen erzählten gern von ihrer Heimat. Und dass man da viel weiß über Deutschland. Über die großen deutschen Komponisten wie Mozart, Beethoven – und Ralf Siegel. Dass ausgerechnet ein Deutscher eine Band mit dem Namen des Volkshelden Dschingis-Khan gegründet hat, finden die Mongolen bemerkenswert. Und dass Deutsche auf Betriebsfeiern zu der Musik tanzen, darüber amüsieren sie sich auch in der Gobi-Bar.

Gobi-Bar. Tempelhofer Ufer 16, 10963 Berlin-Kreuzberg (U-Bahnhof Möckernbrücke). Donnerstag, Freitag, Samstag ab 19 Uhr. Eintritt frei.

Juris Lempfert

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