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Glätte auf Berlins Straßen: Viele wollen helfen – aber dürfen nicht

Tausende melden sich bei der Stadtreinigung zur Eisbeseitigung, doch das Unternehmen ist überfordert. An Wowereits flapsigem Eis-Kommentar, den die RBB-Abendshow am Mittwoch zeigte, wird Kritik laut. Unterdessen gab es am Donnerstag das dritte Glätte-Opfer in Berlin.

Das leichte Tauwetter hat keine Auswirkung auf die politische Diskussion um das vereiste Berlin. Im Gegenteil – der Ton wird schärfer. Das liegt auch daran, dass am Donnerstagmorgen eine 79-jährige Frau, die am 8. Februar in der Lichtenrader Skarbinastraße wegen der Glätte gestürzt war, in einem Krankenhaus ihren Verletzungen erlag. Sie ist bereits das dritte direkte Glätte-Opfer in Berlin, zuvor waren eine 73-Jährige aus Köpenick und ein 75-Jähriger aus Zehlendorf nach einem Sturz auf Glatteis ums Leben gekommen. Ein 60-jähriger Radfahrer, der gestern in der Lehrter Straße auf vereistem Seitenstreifen stürzte, überlebte mit schweren Kopfverletzungen.

Angesichts dieser Fälle haben die Grünen Äußerungen von Klaus Wowereit (SPD) in einem Video kritisiert, das die RBB-Abendschau zeigte. Wowereit hatte zu Passanten gesagt, die ihn auf die Glätte ansprachen: „Kommen Sie zu mir an den Kurfürstendamm, da können Sie Holiday on Ice mit mir machen, und da fliegen Sie auf die Schnauze.“ Senatssprecher Richard Meng wies die Kritik zurück und sagte, der Regierende habe damit deutlich machen wollen, dass ihn die Verhältnisse genauso ärgerten.

„Wowereit hat das Glatteis-Chaos und die schweren Auswirkungen auf ältere und kranke Menschen eiskalt ignoriert“, kritisierte gestern CDU-Landeschef Frank Henkel. Und für die grüne Fraktionsvorsitzende Ramona Pop stand fest: „Dieser Senat hat die Bodenhaftung verloren und regiert über die Stadt hinweg.“

rbb-Abendschau: Berliner befreien Kurfürstendamm von Eis

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Pop forderte erneut ein Sofortprogramm gegen die Vereisung. „Wowereit und der Senat müssen dafür sorgen, dass Haltestellen, Überwege und Bürgersteige wieder gefahrlos passierbar sind.“ Dafür solle der Senat mindestens tausend zusätzliche Einsatzkräfte bereitstellen.

Bewerber dafür gebe es genug, sagte der Sprecher der Berliner Arbeitsagenturen, Uwe Mählmann: „Nach dem Aufruf der Stadtreinigung haben sich tausende arbeitslose Berliner bei uns gemeldet, die helfen wollen.“ Wie berichtet, hat die Berliner Stadtreinigung (BSR) neben ihren mehr als 1000 saisonalen Zusatzkräften weitere 650 Langzeitarbeitslose bei den Jobcentern angefordert. Als am Montag die Hotline für Bewerber freigeschaltet wurde, registrierte man zigtausende Anrufe. „Um 8 Uhr saßen zehn Mitarbeiter an den Telefonen, eine halbe Stunde später stockten wir wegen der vielen Anrufe auf 30, etwas später auf 40 Mitarbeiter auf“, sagte Mählmann.

Über 1500 Erwerbslose hat die Arbeitsagentur bereits der BSR gemeldet, nur 650 werden gebraucht. Warum also nicht die übrigen für die Räumung von Schulhöfen, Treppen, und Straßen vor Seniorenheimen einsetzen, fragen die Grünen. Der Bedarf ist da. Der Tagesspiegel hatte in den vergangenen Tagen berichtet, dass viele ältere Menschen aus Angst vor Stürzen ihre Häuser und Heime seit Wochen nicht mehr verlassen und dass geh- und sehbehinderte Kinder zur Pause nicht mehr auf den Schulhof können.

Für die Schulhöfe sind beispielsweise die Bezirke zuständig. Aber denen fehle nicht nur das Geld, sondern auch die Logistik und die Ausrüstung für größere Einsätze von Arbeitslosen, sagte Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD). „Für 50 Leute, die unentgeltlich Schulhöfe räumen wollen, managen wir das. Sie können sich am Montag unter der Nummer 902392303 bei uns melden. Für mehr reichen unsere Möglichkeiten aber nicht. Das geht bei Schaufeln los und endet bei den Versicherungen.“

Senatssprecher Meng zeigte sich bei der Forderung nach Zusatzkräften aufgeschlossen. „Zwar ist es eine Schande, dass nicht die eigentlich verantwortlichen privaten Räumdienste zusätzliche Kräfte ordern“, sagte er. „Aber wenn die BSR das organisieren kann, wird ein Einsatz von weiteren tausend Menschen nicht am fehlenden Geld scheitern.“

BSR-Sprecherin Sabine Thümler meinte jedoch: „Auch wir sind inzwischen an unsere Grenzen gelangt. Noch mehr Menschen können wir nicht sinnvoll einsetzen.“

 Sandra Dassler

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