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Berlin: Global Player

Er beherrscht die Sprache, die man überall versteht: Der Pantomime Marcel Marceau gastiert in Berlin

Ein zierlicher Mann betritt die schwarz ausgekleidete Bühne. Sein Gesicht ist weiß geschminkt, der unförmige schwarze Schlapphut mit der roten Blume sitzt schief auf dem gelockten Haar. Das gestreifte Ringelhemd steckt in der schneeweißen Hose. Aus dem Nichts heraus und ohne jeglichen Laut lässt Marcel Marceau Welten entstehen, lässt Raubtiere durch Reifen springen, mimt einen Selbstmörder am Galgen, kämpft gegen Wind und Wetter. So war es vor Jahrzehnten auch schon. Und so wird es von heute an bis Donnerstag sein, wenn der 81-Jährige an der Komischen Oper gastiert. Seine Figur des Bip ist eine zeitlose Erscheinung, ein Markenzeichen, das Zuschauer rund um den Globus und über alle Zeitläufe hinweg bis heute begeistert: Das Gastspiel in Berlin ist ausverkauft.

Marcel Marceau hat auf der ganzen Welt gespielt, nur in Zentralafrika und in Teilen der ehemaligen Sowjetunion war er noch nie. Dabei wird seine Sprache, die Sprache der Stille, überall verstanden. Unabhängig vom Ort, der Herkunft, Religion oder Mentalität seines Publikums erzählt Marceau Geschichten, die deshalb so authentisch unterhalten, da der Zuschauer unmittelbar beteiligt ist. „Die Fantasie des Publikums ist am wichtigsten“, sagt der Künstler. „Meine Aufgabe ist es, durch die Pantomime die Dinge sichtbar zu machen, noch sichtbarer als mit den Augen.“ Vor Jahren habe er einmal vor vielen kleinen Kindern gespielt. „Ich war im Vorfeld verunsichert: Werde ich die unruhige Menge zügeln können?“ Es klappte. Marceau: „Nachdem ich begonnen hatte zu spielen, war es ganz still im Saal, alle waren konzentriert bei der Sache.“ Der gebürtige Straßburger, der seit 1978 in seiner eigenen „École Internationale de Mimodrame de Paris Marcel Marceau“ den internationalen Nachwuchs ausbildet, weiß seine Qualitäten als Pädagoge wirksam einzusetzen. Zweimal wöchentlich unterrichtet der 81-Jährige noch seine Schüler.

Bei allem Ruhm ist Marcel Marceau augenscheinlich bescheiden geblieben. Mit dieser Attitüde erzählt er auch von der einzigen Begegnung mit seinem großen Vorbild – Charlie Chaplin. Das war 1967 im Pariser Flughafen Orly. Marceau, der in Kindertagen von seinen Filmen zur stillen Kunst inspiriert wurde, stammelte ein paar banale Worte. Irgendwann trennten sich die beiden, schweigend und sich gegenseitig parodierend. „Zum Abschied küsste ich Charlie Chaplin die Hand. Erst danach bemerkte ich, dass ich Tränen in den Augen hatte.“

Der Pantomime weiß, worin der wahre Wert seiner Tätigkeit besteht. Den Menschen mit einfachsten Mitteln verzaubern. Das Vertraute in seiner nicht immer gegenwärtigen Sprache erzählen. Ein Universum von sprachloser Verständigung. Kindlich anmutend, zu gleichen Teilen heiter verspielt und todernst. Den Mensch in all seinen Facetten zu zeigen, den Kosmos der Gefühle und Stimmungen zu beleuchten, Marcel Marceau wird nicht müde, seine Sicht der Dinge zu vermitteln.

Mit 81 Jahren geht er wieder auf Tournee, sieben Städte umfasst seine Reise durch Deutschland und Österreich. In Berlin werden die unnachahmlichen Klassiker der „Pantomime de style“ zu erleben sein, unter anderem „Le Tribunal“ (Das Gericht), „L’Escalier“ (Die Treppe) oder „La Création du Monde“ (Die Erschaffung der Welt). Im zweiten Teil des Abends erscheint Bip als melancholischer und ironischer Held.

Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch, sagt Kästner. Marcel Marceau ist immer Kind und Mensch geblieben. Sein Publikum hat ihn durch fünf Jahrzehnte künstlerischer Arbeit begleitet, hat ihm über Generationen hinweg fasziniert die Treue gehalten.

Marcel Marceau, bis 22. Juli, Komische Oper, jeweils 20 Uhr.

Felix Mauser

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