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Brennpunkt Görlitzer Park.

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Görlitzer Park: Polizei in Berlin ohne Plan

Bei der Bekämpfung des Drogenhandels sind die Sicherheitsbehörden an ihre Grenzen gestoßen. Sie suchen neue Ideen für den Görlitzer Park. Ein paar lokale Politiker haben schon welche – wenn auch sehr konträre.

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Es war in diesem Jahr bereits der 353. Einsatz der Polizei im Görlitzer Park gegen den illegalen Drogenhandel: Am Sonntagabend um 22 Uhr stellten Beamte einen 26-Jährigen im Park, der Drogen bei sich trug. Eine halbe Stunde später nahmen Beamte zwei weitere mutmaßliche Drogenhändler fest. Die Polizisten beobachteten die 17- und 23-Jährigen beim illegalen Drogenhandel. Als die Beamten zugriffen, wehrte sich der 17-Jährige heftig und riss sich los. Er wurde in der Glogauer Straße schließlich festgenommen und mit seinem Komplizen der zuständigen Polizeidirektion 5 überstellt. Die Polizei kontrollierte insgesamt acht weitere Personen und stellte 17 Anzeigen, unter anderem wegen Drogenhandels und -besitzes sowie wegen Verstößen gegen die Aufenthaltsbestimmungen.

Das Problem mit dem ausufernden Drogenhandel vor allem im und rund um den Görlitzer Park ist durch solche Maßnahmen allerdings nicht in den Griff zu bekommen, das weiß auch die Polizei. „Das bisherige Instrumentarium löst die Probleme nicht“, sagt Polizeisprecher Thomas Neuendorf. In diesem Jahr wurden wie berichtet bereits mehr als 2240 Personen im Park überprüft und mehr als 921 Platzverweise ausgesprochen. Fast die Hälfte der 831 eingeleiteten Strafverfahren gab es wegen Drogenbesitzes – die meisten blieben ohne spürbare Folgen. Nicht nur aus Sicht von Innensenator Frank Henkel (CDU) ist die Situation „brisant“.

Abstimmungsprobleme bei der Polizei

Polizeipräsident Klaus Kandt hat seinen Stab beauftragt, „kurzfristig eine Gesamtstrategie zu erarbeiten mit dem Ziel, das Drogenproblem vor Ort zu lösen“, wie Polizeisprecher Stefan Redlich am Montag auf Anfrage sagte. Kandt sei zu seinem großen Ärger zuvor nicht über „Abstimmungsprobleme“ innerhalb der Polizeibehörde informiert worden. Wie berichtet wurde vor Kurzem eine Ermittlungsgruppe „Görli“ aufgelöst. Diese Sonderkommission habe zwar ohnehin temporär gearbeitet, sagte Redlich. Bei der Auswertung seien allerdings auch „Abstimmungsprobleme“ festgestellt worden. Dem Vernehmen nach wurde vor allem die mangelnde Unterstützung durch das Landeskriminalamt kritisiert.

Nun soll Kandts Stab Ideen liefern, wie die Zusammenarbeit verbessert werden kann. Vor allem aber soll untersucht werden, ob die Polizei mehr als bisher tun kann. Zum Beispiel, indem sie bekannten Dealern den Zutritt zum Park verwehrt, Aufenthaltsverbotsverfügung heißt das bürokratische Fachwort dazu. Der Drogenhandel rund um den Park hat erhebliche Ausmaße angenommen: Er ist sichtbar auf der Skalitzer Straße, entlang der U1 über die Warschauer Brücke bis zur Revaler Straße, Kunden aus ganz Berlin und dem Ausland zieht es hierhin. „Wir haben es mit organisierter Kriminalität zu tun“, sagt Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Man müsse auch weiter mit polizeilichen Maßnahmen der Kriminalität begegnen. Sie wolle sich der Verantwortung nicht entziehen, aber „wir geraten an unsere Grenzen“.

"Wir müssen den Park einzäunen und mit Videokameras überwachen"

Brennpunkt: Görlitzer Park
Brennpunkt: Görlitzer Park

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Der Bezirk will Zugänge zum Park schließen und Sträucher zurückschneiden, so dass Drogenverstecke nicht mehr einfach angelegt werden können. Das würde auch die Polizei begrüßen. Anderen Kennern des Problems geht das nicht weit genug. „Wir müssen den Park umzäunen, nur noch fünf oder sechs mit Videokameras überwachte Zugänge lassen, das Areal nachts schließen und tagsüber Zugangskontrollen einführen“, fordert der Kreuzberger CDU-Abgeordnete Kurt Wansner.

Er war in den 1980er Jahren dabei, als das einstige Eisenbahngelände zum Park wurde – und hat seitdem dessen Abstieg miterlebt, wie er sagt. „Wir müssen wenigstens mal damit anfangen, den Menschen zu zeigen, dass sich der Rechtsstaat nicht immer lächerlich machen lässt“, sagt Wansner. Er ist ärgerlich auf den von den Grünen geführten Bezirk, aber auch auf die Justiz: Viele Staatsanwälte und Richter seien „viel zu lasch“, daher kehrten die meisten Dealer schon kurz nach Polizeieinsätzen wieder zurück.

Von seinem Parteifreund Frank Henkel erwartet Wansner, dass der die zuständige Polizeiwache an der Friedrichstraße mit 15 zusätzlichen Polizisten aufstockt, um den Park und seine Eingänge besser kontrollieren zu können. Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek wohnt in der Nähe des Parks. Ein Teil der Drogenszene im „Görli“ sei aus der Hasenheide „verdrängt“ worden. „Drogenhandel ist in ganz Berlin ein Problem.“ Kapek betont, dass schon einiges im Bezirk geschehen sei – von Sozialarbeitern im Park bis hin zu einem Beleuchtungskonzept.

Kokainkugeln auf dem Spielplatz

Die Grünen-Politikerin ist Mutter eines Kita-Kindes, das öfter auf dem Spielplatz im Görlitzer Park unterwegs ist. Im Frühjahr fand ein kleines Mädchen Kokainkugeln auf dem im vergangenen Jahr erst eröffneten Piratenspielplatz. Bei der anschließenden Razzia entdeckte die Polizei auch die synthetische Droge Crystal Meth. Kapek fordert „ganz klar Strafverfolgung“ von Drogendealern. Darin sind sich die Grünen einig. Kapek hat aber auch Ideen für den Park, um zum Beispiel durch Ausweisung von Flächen für „urban gardening“ oder von reinen Hundeauslaufgebieten die Nutzung des Parks als potenziellen Drogenumschlagsplatz einzudämmen.

Im Juni dieses Jahres wollte sich eine Anwohnerinitiative für den Görlitzer Park gründen. Sie konnten ihre Ideen nicht vortragen, denn andere Anwohner stürmten die Veranstaltung und begründeten das in Medienberichten mit der Situation von Flüchtlingen, von denen etliche aufgrund mangelnder Perspektive Drogen verkaufen würden. Diese Tatsache zumindest bestätigt auch die Polizei: Die meisten Drogenhändler im Görlitzer Park sind demnach Asylbewerber aus Afrika. Bekommen sie eine Anzeige wegen Dealens, heißt das allerdings noch lange nicht, dass sie im Asylverfahren Konsequenzen zu befürchten haben oder gar Berlin verlassen müssen. Das gilt laut Polizei nur für diejenigen, die als Asylbewerber in anderen Städten registriert sind – und auch bei denen kann die Polizei kaum mehr machen, als sie zum Verlassen Berlins aufzufordern.

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