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Berlin: Googeln, bis der Arzt kommt

Immer mehr Patienten nutzen das Internet, um sich über ihre Krankheit und Therapien zu informieren

Die Knorpel in Elvira Holbrechts* Hüfte sind verschlissen, sie wird ein künstliches Gelenk eingesetzt bekommen. Gleich drei Orthopäden haben ihr dazu geraten. Frau Holbrecht vertraut ihnen, sagt sie. Aber sie hat ihren Sohn gebeten, ihr noch ein paar Informationen aus dem Internet zu suchen. Zur Sicherheit. Tags darauf bringt der Sohn einen backsteindicken Stapel Papier. Frau Holbrecht las ein paar Seiten, dann legte sie den Stapel beiseite. Sie verstand den Fachsprech nicht, in dem die Texte verfasst sind.

Immer mehr Menschen informieren sich im Internet darüber, wie eine ihnen bevorstehende Operation abläuft oder welche anderen Therapiemöglichkeiten es gibt. Und vermutlich versuchen es die meisten Patienten auf die gleiche Weise wie Frau Holbrechts Sohn: Sie geben in eine Suchmaschine Schlagworte wie „Künstliches Kniegelenk“ oder „Krebs“ ein – und erhalten eine Liste mit zehntausenden Treffern. Das Ergebnis: ein schwer durchschaubarer Datenwust. Für einen Laien ist schwer erkennbar, ob eine Therapie- oder Medikamenten-Empfehlung, auf die er im Netz stößt, sachlich begründet ist. Oder ob es sich um Produktwerbung handelt, die unter dem Deckmantel fachlicher Beiträge daherkommt.

Die Mediziner sind skeptisch. „Es ist kaum möglich, im Internet Informationen zu bekommen, die seriös sind – und verständlich“, sagt Christian Geiger. Er ist Chefarzt der Abteilung Chirurgie im Jüdischen Krankenhaus in Berlin-Wedding. „Alle, die Informationen ins Netz stellen, haben etwas zu gewinnen oder zu verlieren. Also verfolgen alle ein bestimmtes Interesse.“ Mit dieser Meinung steht Geiger nicht allein da, viele Kollegen sehen es ähnlich. Jochen Schulze Buschoff etwa, Facharzt für Gefäßmedizin in den St. Hedwig-Kliniken in Berlin- Mitte. Einen positiven Aspekt kann er dem Informations-Angebot im Internet aber doch abgewinnen. Dass sich Patienten die Mühe machten, sich zu informieren, „bedeutet doch, dass wir uns genügend Zeit nehmen sollten, um eine Therapie oder eine Operation und deren Sinn wirklich gut zu erklären“.

Sachkompetenz, Informationen, die verständlich aufbereitet sind und inhaltliche Unabhängigkeit, darauf kommt es an. Die Suchmaschinen durchforsten das Netz natürlich nicht nach Qualitätskriterien, wie auch? Die Trefferlisten wären sonst deutlich übersichtlicher.

Aber es ist nicht so, dass es keine positiven Beispiele gäbe. Die Internet-Seiten einiger Ärztefachverbände etwa. So ist der Internet-Auftritt der Deutschen Krebsgesellschaft übersichtlich, gehaltvoll und dazu sprachlich so aufbereitet, dass auch ein medizinischer Laie leicht versteht, worum es geht. Unter anderem erfährt man, wo es in der näheren Umgebung zertifizierte Zentren für die Behandlung von Brustkrebs gibt. Für Leiden, die in das Fachgebiet von Orthopäden fallen, gibt es ebenfalls ein Informationsportal des Berufsverbandes. Dort findet man vor allem dank einer guten Navigation schnell wichtige Basisinformationen. Mit zwei Mausklicks erfährt man Grundlegendes über die Funktionsweise des menschlichen Bewegungsapparates oder über Arthrose-Erkrankungen in Knien oder Hüfte.

Die Zahl der Schlaganfälle steigt stetig – und mit ihnen die Zahl der mittelbar oder unmittelbar Betroffenen. Wie auch deren Informationsbedürfnis. Die Deutsche Schlaganfallhilfe versucht, diesem Bedürfnis mit wichtigen Basis-Informationen im Internet zu begegnen. Auch dort findet man die wichtigsten Zahlen, Erklärungen und Adressen – von Krankenhäusern mit zertifizierten Versorgungseinrichtungen etwa. Und doch: Dass die Informationen im Internet ein Gespräch mit dem Arzt ersetzen können, glaubt kaum jemand.

Auch Silke Haffner nicht, die Geschäftsführerin des Medizin-Portals „Netdoktor“. Der Anspruch sei, einen fundierten Überblick zu bieten. Alle Artikel über Krankheiten und Medikamente sind von Medizinern geschrieben. Eine achtköpfige Redaktion prüft, ob die Texte verständlich sind. Netdoktor finanziert sich nach eigenen Angaben über Werbeanzeigen und indem die Firma Portale für Krankenkassen erstellt. *Name geändert

www.krebsgesellschaft.de

www.orthinform.de

www.schlaganfall-hilfe.de

www.herzstiftung.de

www.netdoktor.de

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