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Berlin: Graffiti: Schmierer drehen Diepgen eine Nase

Berlin ist die Hauptstadt der Grafitti-Sprayer. Etwa 4000 Sprayer im Alter zwischen 14 und 20 Jahren sind hier nach Schätzungen der Polizei aktiv.

Berlin ist die Hauptstadt der Grafitti-Sprayer. Etwa 4000 Sprayer im Alter zwischen 14 und 20 Jahren sind hier nach Schätzungen der Polizei aktiv. Der Schaden, den sie Jahr für Jahr anrichten, geht in die Millionen. Zwar fordert Berlins Regierender Bürgermeister und Justizsenator Eberhard Diepgen härtere Gesetze. Ob seine Initiative Erfolg hat, ist fraglich - einstweilen werden die Schmierer von der Berliner Justiz nicht einmal mehr dazu verurteilt, ihre Werke selbst zu entfernen.

Zum Thema Ted: Sprayer verpfeifen - soll das belohnt werden? Meinungen: Pro & Contra In den Innenstadtbereichen von Berlin sind die Spuren der hier sehr aktiven Graffiti-Szene unübersehbar. Zehntausende ihrer Reviermarken - so genannte "tags" - finden sich auf Häuserfassaden, Denkmälern, in U- und S-Bahnen oder an Brücken. Es sind besonders die frisch sanierten Häuser, die auf die Sprüher eine geradezu magische Anziehungskraft auszuüben scheinen. Kaum sind die Baugerüste gefallen, sind die Fassaden auch schon markiert. So wie bei den gerade sanierten Heckmannhöfen an der Oranienburger Straße in Mitte. "Die beschmieren doch ihr eigenes Zuhause", sagt die Geschäftsführerin der Eigentümergemeinschaft, Tamara Loss, fassungslos.

"Die schönsten Ecken sehen mit den Schmierereien einfach nur müllig aus." Immer wieder sind die Höfe den Sprayer-Attacken ausgesetzt. "Alle zwei Wochen könnte ich die Fassaden neu streichen lassen." Deshalb hat Loss eine Anti-Graffiti-Schicht anbringen lassen. Doch auch die muss von Spezialfirmen gereinigt werden. "Das kostet uns jährlich mindestens 10 000 Mark", sagt die Geschäftsführerin. Der Berliner Haus- und Grundeigentümer-Verband schätzt die jährlichen Schäden durch Graffiti in der Stadt auf insgesamt rund 40 Millionen Mark.

Tamara Loss wollte zur Abschreckung auf allen Höfen sogar Überwachungskameras installieren. "Aber dafür brauche ich das Einverständnis aller Mieter, und das klappt nicht." Und Kamera-Attrappen, die die Sprayer verjagen sollen, halfen ihr auch nicht. "Davon lassen die sich nicht aufhalten. Die erkennen das doch."

Loss hat sich mit den Graffiti abgefunden und plant das Geld für deren Entfernung in ihrem jährlichen Etat fest ein. "Was soll ich machen, Anzeigen bei der Polizei bringen doch auch nichts. Das wird doch nach wie vor als Kavaliersdelikt behandelt." Dabei werden Sprayer durchaus auch erwischt. Allein im Jahr 2000 hat die gemeinsame Ermittlungsgruppe Graffiti von Berliner Polizei und Bundesgrenzschutz 3500 Fälle bearbeitet, 1000 Tatverdächtige ermittelt. Doch häufig werden die Verfahren wegen Geringfügigkeit wieder eingestellt. "Uns geht es auch gar nicht vorrangig um eine Verurteilung", sagt der Leiter der Ermittlungsgruppe, Frank Worm. "Wir wollen die Jugendlichen nicht kriminalisieren, sondern vor allem Ersttäter abschrecken." Aber: "Wenn Sprayer, die wir schon mehrfach erwischt haben, wieder laufengelassen werden, dann ist das schon ärgerlich", sagt Worm.

Bisher gelten Graffiti nicht per se als Sachbeschädigung, sondern nur dann, wenn durch sie beziehungsweise ihre Entfernung der Untergund beschädigt wird. In allen anderen Fällen können die Eigentümer nur zivilrechtlich - also entsprechend milde - gegen die Farbdosen-Sprüher vorgehen. Das heißt, nur Schadenersatz fordern. Hier will der Justizsenator Eberhard Diepgen jetzt mit seiner neuen Gesetzesinitiative ansetzen. Die Farbschmierereien sollen schon dann als Sachbeschädigung gelten, wenn "das äußere Erscheinungsbild gegen den Willen des Eigentümers verändert wurde" - also in allen Fällen. Mit einer Haftstrafe müssten die Sprayer allerdings nicht zwangsläufig rechnen. Zwar sieht das Strafgesetzbuch hier eine Höchststrafe von zwei Jahren Haft vor. Doch die Regel sind auch in solchen Fällen lediglich Geldstrafen, sagt Sascha Daue, Pressesprecher der Berliner Senatsjustizverwaltung.

Auch Hausbesitzerin Tamara Loss hält nichts von Gefängnisstrafen für überführte Sprayer. "Die sollte man einfach mal ein halbes Jahr lang Fassaden schrubben lassen, dann würde ihnen der Spaß am Schmieren schon vergehen." Vor einigen Jahren war das auch die Berliner Linie. Immer wieder wurden Sprayer dazu verurteilt, ihre und andere "tags" zu entfernen. Eine erfolgversprechende Strategie glaubt Frank Worm von der polizeilichen Ermittlungsgruppe: "Es tut schon weh, wenn man sein Werk wieder zerstören muss. Das hat einen echten erzieherischen Effekt." Doch diese Praxis wurde inzwischen wieder eingestellt. Die beim Reinigen freiwerdenden Lösungsmittel könnten die Gesundheit der Sprayer gefährden, heißt es zur Begründung.

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