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Berlin: Gratis zum Amazonas

Ein Wiener Unternehmen verschenkt zusammen mit dem Tagesspiegel 100 000 Bücher von Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa

Das Erzählen rettet Menschenleben vor dem Vergessen. Deshalb gibt es im Stamm der Machiguengas-Indianer im Amazonas-Urwald die Tradition des Geschichtenerzählers. Davon wiederum erzählt Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa in seinem Buch „Der Geschichtenerzähler“. Der Roman, 1990 auf Deutsch erschienen, erlebt jetzt eine ungewöhnliche Renaissance: Als Geschenk an die Berliner. 100 000 Exemplare wurden neu gedruckt. Ab Montag liegen sie in Buchhandlungen und Bezirksbibliotheken aus, um mitgenommen und gelesen zu werden. Der Tagesspiegel verschenkt ebenfalls Freiexemplare an seine Leser und Abonnenten, im Verlagshaus am Anhalter Bahnhof und bei ausgewählten Händlern. Zum Start der Aktion kommt der berühmte peruanische Schriftsteller nach Berlin.

Die Aktion „Eine Stadt – Ein Buch“stammt aus Wien. Vor zehn Jahren begann das Kommunikationsunternehmen „Echo Medienhaus“ zusammen mit der Stadt und Sponsoren damit, parallel zur Wiener Buchmesse Bücher zu verschenken. „Wir wollten eine Initiative fürs Lesen starten“, sagt Medienhaus-Sprecher Christoph Langecker. Inzwischen habe die Aktion in Wien Kultstatus erreicht. Bekannte Autoren wie Johannes Mario Simmel, John Irving, Toni Morrisson und Nick Hornby ließen sich für die Idee begeistern. Hauptsponsor ist der Stromlieferant „Wien Energie“. Zum Start wird jeweils ein großer Buchturm enthüllt. Das fällt in Berlin aus, wegen der kurzen Vorbereitungszeit, sagt Langecker.

Hintergrund des Berliner Engagements von Echo Medienhaus ist die Eröffnung einer Unternehmensdependance an der Spree. Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl spannte seinen Amtskollegen Klaus Wowereit mit ein, und deshalb beginnt die Gratisauflage des Romans mit einem Vorwort des Regierenden Bürgermeisters an die „Berliner Literaturliebhaberinnen und -liebhaber“. Als Nachwort ist die Nobelpreisrede von Vargas Llosa abgedruckt. Darin erzählt er von dem wichtigsten Ereignis in seinem inzwischen 75 Jahre dauernden Leben: das Lesenlernen.

In seiner Romanwerkstatt spielt das Lesen und Recherchieren mithin eine große Rolle. Vargas Llosa arbeitet gerne mit historischen Ereignissen und Figuren. Beim „Geschichtenerzähler“ stieß er aber früh an die Grenze des Erfahrbaren. „Ich habe daher viel eigene Einbildungskraft benötigt, um diese Geschichte zu erzählen. Dieser Roman ist eine sehr freie Interpretation der Machiguenga-Mythen“, sagt der Schriftsteller. Auf das Thema stieß er durch Zufall. Ein Linguistenehepaar, das auch im Buch vorkommt, erzählte ihm von seiner Arbeit im Amazonasgebiet. Es geht also auch um die Grenzen der Kommunikation zwischen den Kulturen und das langsame Verschwinden der eigenen Sprache und Lebensweise der indianischen Völker.

Das Bücherverschenken kostet Geld, und weil beim ersten Mal in Berlin noch keine Sponsoren gefunden werden konnten, ist die Aktion auch ein Geschenk der Wiener an die Berliner. Das Buch kostet im Handel weniger als zehn Euro, aber Christoph Langecker weiß, dass Gratisaktionen unabhängig vom individuellen Einsparvolumen funktionieren. „Die Bücher sind nach drei bis vier Tagen weg“, obwohl die Aktion offiziell eine Woche lang läuft. Der zügige Absatz liegt auch daran, dass in Kaffeehäusern, Buchhandlungen, Volkshochschulen und Verwaltungen verteilt wird. Fast flächendeckend sozusagen.

Mario Vargas Llosa wird am Sonntagabend ab 19 Uhr im Haus der Kulturen der Welt auftreten und einen Vortrag halten, auf Spanisch. Einlass: 18 Uhr. Anschließend werden Gratisbücher verteilt.

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