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Es ist Nacht geworden in Schönefeld - doch die Beratungen dauern noch immer an.

© Alexander Fröhlich

Gremien tagen zum Flughafen-Desaster: Verhandlungen seit fast zwölf Stunden

Noch immer tagt der Aufsichtsrat in Schönefeld und nimmt die beiden Geschäftsführer Schwarz und Körtgen in die Zange, so hatte es Klaus Wowereit am vergangenen Wochenende angekündigt. Mittlerweile ziehen sich die Gespräche seit vielen Stunden - ein Ende ist nicht in Sicht.

Auch nach stundenlangen Gesprächen ist noch immer unklar, wie es mit dem neuen Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld weitergeht. In einem Baustellencontainer auf dem streng abgeriegelten Gelände werden die Geschäftsführer Rainer Schwarz und Manfred Körtgen seit 11 Uhr erst im Projektausschuss und seit 15.30 Uhr vom Aufsichtsrat ins Kreuzverhör genommen. Über die Ergebnisse des Projektausschusses drang bislang nichts nach außen. Körtgen und Schwarz mussten sich den Vertretern der Flughafen-Eigentümer stellen: Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linkspartei) und Bundesverkehrs-Staatssekretär Rainer Bomba (CDU), daneben auch Flughafen-Betriebsrätin Claudia Heinrich.

Die Lage undurchsichtig. Der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft und Vertreter von Fluggesellschaften, Planern und Baufirmen sitzen weiter hinter verschlossenen Türen in einem Container auf der Baustelle. Völlig unklar ist zur Stunde auch weiterhin, ob und wann der Aufsichtsrat vor die Öffentlichkeit treten wird. Erste Signale kommen aber aus der Krisensitzung des Aufsichtsrates: Nach etlichen Stunden gibt es die Auskunft der Flughafengesellschaft, dass bis möglicherweise bis Mitternacht Ergebnisse verkündet werden.

Dem Vernehmen nach wird auf der Krisensitzung hart verhandelt. Die Vertreter der Flughafeneigentümer - darunter Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit als Aufsichtsratschef, Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD) und Verkehrsstaatssekretär Rainer Bomba (CDU) für den Bund - wollen klären, was genau schief lief auf der Baustelle.

Möglicherweise kann der neue Flughafen erst 2013 den Betrieb aufnehmen. Der Landrat des Kreises Dahme-Spreewald, Stephan Loge (SPD), bestätigte am Mittwoch einen Bericht der „Bild"-Zeitung, wonach der Landkreis nur einen voll automatisierten Brandschutz genehmigen wird. Offenbar hatte der Flughafen mit einer Übergangslösung gerechnet, in der einige Brandschutzmaßnahmen per Hand aktiviert werden.

Bereits am Wochenende hatte Wowereit bei den Publikumstagen auf der BER-Baustelle angekündigt, Tacheles mit den Flughafenchefs reden zu wollen. Zudem machten der Aufsichtsratschef und sein Vize, Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) deutlich, dass kein Mitarbeiter auf unterer Ebene für die Führungsetage im Unternehmen geopfert werde.

Warten auf ein Statement des Aufsichtsrates: Noch ist die Tribüne leer; sie wurde schon vor Stunden aufgebaut.
Warten auf ein Statement des Aufsichtsrates: Noch ist die Tribüne leer; sie wurde schon vor Stunden aufgebaut.

© Alexander Fröhlich

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) kritisierte am Mittwoch das schwere Missmanagement beim Bau des neuen Hauptstadtflughafens in Schönefeld. Er forderte Aufklärung darüber, „inwieweit „auf bohrende Fragen des Aufsichtsrats auch in der Vergangenheit die Geschäftsführung umfassend und korrekt oder nicht umfassend und nicht korrekt informiert hat“. Ramsauer hat sogar für alle „Obliegenheiten“ des Bundes eine Arbeitsgruppe „Soko BER“ eingerichtet. Dem Bund gehört die Flughafengesellschaft zu 26 Prozent. Die Länder Berlin und Brandenburg halten Anteil von jeweils 37 Prozent.

In Brandenburger Regierungskreisen werden seit Tagen die Signale der Bundesregierung mit äußerster Aufmerksamkeit analysiert. Es besteht die Sorge, der Bund könnte sich wegen Schadenersatzforderungen explodierenden Kosten aus dem Gemeinschaftsprojekt zurückziehen, zumal es eine Ausstiegesklausel gibt.

Mit äußerster Spannung erwartet wird, ob und für welchen neuen Eröffnungstermin sich der Aufsichtsrat entscheidet. Es ist keineswegs gewiss, dass sich das Gremium bereits am heutigen Mittwoch auf einen neuen Termin festlegt – denn zu viele Fragen sind noch offen. Wie berichtet, ist auch eine verlässliche Eröffnung frühestens in einem halben Jahr möglich, nicht vor Oktober/November.  Selbst in Kreisen der Brandenburger Landesregierung wird eine Inbetriebnahme erst im Frühjahr des Jahres 2013 nicht mehr ausgeschlossen. Denn es besteht noch mindestens ein Bauverzug von einem halben Jahr. Auch um zumindest noch ein Zeitfenster als Sicherheitspuffer in den neuen Zeitplan einzubauen, zeichnet eine Verschiebung bis ins nächste Jahr ab.

Ohnehin bestehen auf der Baustelle noch erhebliche Probleme. Das zuständige Bauordnungsamt des Landkreises Oder-Spree lehnt Übergangslösungen oder einen teilautomatischen Betrieb der technischen Anlagen im Terminal kategorisch ab. Eine von Chefplaner und Betriebsgeschäftsführer Körtgen noch im April in Spiel gebrachte „Mensch-Maschine-Schnittstelle“, also der Einsatz zusätzlicher Mitarbeiter um die Brandschutzanlage, aber auch Türen per Hand zu bedienen, kommt nicht in Frage. Körtgen hatte dem Aufsichtsrat diese Lösung im April vorgeschlagen und versprochen, damit den Flughafen eröffnen zu können. Genau deshalb droht ihm nun die Entlassung. 

So geht es an der BER-Baustelle voran:

Um 11 Uhr sollte der Projektausschuss unter Vorsitz von Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) starten, es ist ein Arbeitskreis des Aufsichtsrates. Am Nachmittag um 15.30 Uhr dann kommt der Aufsichtsrat zusammen. Vorsitzender ist Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, sein Vize Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD).  Daneben sitzen in den 15-köpfigen Kontrollgremium auch Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) und als Vertreter des Bundes Verkehrsstaatssekretär Rainer Bomba (CDU). Eigentümer der Flughafengesellschaft sind Berlin, Brandenburg und der Bund. 

Ob Flughafenchef Schwarz gehen muss, ist noch offen

Berlins Regierender Bürgermeister und der brandenburgische Ministerpräsident sitzen dem Aufsichtsrat vor. Dieser tagt am Mittwochnachmittag, um das BER-Debakel aufzuarbeiten.
Berlins Regierender Bürgermeister und der brandenburgische Ministerpräsident sitzen dem Aufsichtsrat vor. Dieser tagt am Mittwochnachmittag, um das BER-Debakel aufzuarbeiten.

© dpa

Vor allem die Geschäftsführer der Flughafengesellschaft, Rainer Schwarz und Manfred Körtgen, werden sich unangenehme Fragen gefallen lassen müssen. Die Zukunft des für Bau und Planung zuständige Geschäftsführers Manfred Körtgen scheint aber schon besiegelt. Er soll abberufen werden. Ob auch der für das  operative Geschäft zuständige Flughafenchef Rainer Schwarz gehen muss, war noch offen.

Besonders knifflig ist die Frage nach einem neuen Eröffnungstermin. Brandenburgs Landesregierung rechnet nicht mehr damit, dass der neue Großflughafen noch in diesem Jahr eröffnet wird. Die Probleme auf der Baustelle seien zu groß, als dass der BER pünktlich zur Umstellung auf den Winterfahrplan Ende Oktober in Betrieb gehen könnte. Auf diesen Termin drängen angesichts begrenzter Kapazitäten auf in Tegel und am alten Schönefelder Standort die Fluggesellschaften. Die Arbeiten auf der Baustellen aber sind mindestens ein halbes Jahr in Verzug geraten. Als realistisch sehen Flughafengesellschaft und auch Brandenburgs Landesregierung einen Eröffnungstermin zum Wechsel vom Winter- zum  Frühjahrsflugplan im März 2013 an. Noch vor einer Woche hatte Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) den August 2012 als neuen Starttermin genannt, ist davon aber wieder deutlich abgerückt. 

Thema dürften auch die zusätzlichen Kosten durch die verschobene Eröffnung des 2,5-Milliarden-Euro-Baus sein. Die Betreiber gehen von Kosten in Höhe von15 Millionen Euro pro Monat aus, Schadenersatzforderungen nicht eingerechnet.

Die Eröffnung des künftigen Hauptstadtflughafens war am vergangenen Dienstag knapp vier Wochen vor dem Termin am 3. Juni geplatzt. Als Grund nennt die Flughafengesellschaft Probleme beim Brandschutz. Tatsächlich gibt es auch anderen Stellen massive Schwierigkeiten.

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