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Berlin: Grillen an der Oberbaumbrücke

In der Sonne sitzen, lesen und essen – zusehends beleben sich die Ufer der Spree in Friedrichshain und Kreuzberg. Kneipen für Nachtschwärmer machen jetzt auch am Tage auf – und andere eröffnen ganz neu

„Eigentlich sollte man hier ein Wassertaxi aufmachen“, sagt der Barmann auf der Terrasse des eleganten „Fritz Fischer“ im Universal-Gebäude. Er wischt sich den Schweiß von der Stirn. Gerade hat er die Sonnenschirme vor dem Café aufgestellt, unter denen sich die Gäste auf Liegestühlen räkeln. Manche haben Bücher dabei. Eine Frau, offensichtlich Schauspielerin, studiert eine Rolle ein. Andere genießen den Blick auf das glitzernde Wasser, auf die wuchtige Oberbaumbrücke zur Rechten, die hohen Kräne am Osthafen zur Linken und die Skulptur „Molecule Men“ links vorne am gegenüberliegenden Ufer.

Von den Strandbars dort drüben, dem „Freischwimmer“ etwa, könnte der Barmann mit dem Wassertaxi Gäste hierher bringen, ins Fritz Fischer und das Restaurant „Q3A“ im Speichergebäude nebenan. Dessen Gastraum ist im Stil der 70er Jahre eingerichtet. Auch bei ihren allmonatlichen Partys „Studio 54“ setzen die Betreiber auf den Retro-Trend, mit Musik aus den 80ern. Vor dem Fritz Fischer legt nun am Sonntag ein DJ ruhige elektronische Musik auf. „Immer wieder sonntags“ heißt die Veranstaltungsreihe. Der Grill neben der Bar wird am Spätnachmittag angeworfen.

Immer mehr entwickelt sich die Gegend um die Oberbaumbrücke zu einem attraktiven Ort für sonnige Sommertage. Clubs wie „Matrix“, „Casino“ oder das neue 1234 (sprich „zwölf-vierunddreißig“) machen das Friedrichshainer Spreeufer schon seit längerem zu einem Magneten für Nachtschwärmer. Am gegenüberliegenden Kreuzberger Ufer tanzt man im „Watergate“ mit Blick aufs Wasser. Und nicht weit von diesem Club, in der Falckensteinstraße, erfreut sich auch das „San Remo Umpflamör“ zunehmender Beliebtheit. Hier läuft an diesem Sonntagmittag Musik von Santana. Vor gut zwei Jahren neu eröffnet, öffnet die Bar seit diesem Sommer täglich schon ab 10 Uhr. Auch hier sind die gepolsterten Sessel vor der Tür alle besetzt.

„Ja, es macht eine Menge auf hier in der Gegend“, sagt Thomas King, einer der Inhaber des San Remo. Er organisiert auch die Galerie neben dem Café. „In der Schlesischen Straße haben in den letzten Monaten allein fünf Galerien eröffnet. Und in der Köpenicker zwei neue Bars – die ,Waldohreule‘ und das ,Schlesisch Blau‘.“ Die Ladenmieten seien in dieser Gegend eben noch günstig. Außerdem: „Kreuzberg kommt wieder“ – doch „nicht auf diese trendige Art wie damals in Mitte“. Die Gäste hier seien gemischter: „Szeneleute, aber auch Nachbarn“, sagt King. Vor den Galerien in der Schlesischen Straße sitzen ihre jungen Betreiber und frühstücken. Eine heißt „Die Rechtsberatung“ – juristische Hilfe als Kunstform. Und dann gibt’s da noch das Café „Myslinska“ – wie schon vor dem Mauerfall. Von heute aus betrachtet: die Avantgarde im Viertel.

Till Schröder

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