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Berlin: Gringo aus dem Graefe-Kiez

Der Kreuzberger Künstler Jim Avignon reist durch Mittelamerika – und löst prompt in Costa Rica einen kleinen Eklat aus.

So schnell kann es zu öffentlicher Aufruhr und diplomatischen Verwicklungen kommen. Dazu braucht es nur Fantasie – und ein paar Sprühdosen. Der Berliner Pop-Künstler Jim Avignon, derzeit auf Tour durch Mittelamerika, hat das in Costa Rica erlebt. Dabei geht es doch nur um einen an eine Mauer gemalten Affen im Anzug, der eine Zigarette raucht. Völlig harmlos. Blöd nur, dass der Affe direkt an der Mauer neben dem Parlament von Costa Rica prangt, ein zufällig daneben angebrachtes Gittertor beim Öffnen den Eindruck erweckt, als säße der Affe hinter Gittern – und außerdem gerade ein Rauchverbot in Costa Rica beschlossen wird. Aufruhr der Parlamentarier, die sich verunglimpft fühlen, Malverbot für die Künstlertruppe, ein aufgescheuchter deutscher Botschafter, Berichte in den Zeitungen – für Jim Avignon gehört das zu einem der vielen Erlebnisse der Tour durch sieben Länder der Karibik und Mittelamerika.

In Berlin ist Avignon seit langen Jahren im Kreuzberger Graefe-Kiez zu Hause und eine wuselige Figur des Kunstbetriebs. Zugleich Maler, Illustrator und Musiker, fängt er mit seinen schnellen, aggressiven Bildern, oft mit rabenschwarzem Humor, unnachahmlich das Berliner Lebensgefühl ein. Ihn reizt der Spagat zwischen Underground und Mainstream: Deswegen hat er auf der Documenta X in Kassel jeden Tag ein Bild gemalt und anschließend wieder vernichtet, aber auch für Swatch eine Uhr entworfen. Für den Tagesspiegel hat Avignon vor wenigen Monaten ein exklusives Bild für „Mehr Berlin“ gemalt. Ein englisches Magazin hat ihn mal als „Andy Warhol des zeitgenössischen Berlins“ bezeichnet. Clubgänger kennen ihn auch von den vielen Auftritten mit seiner Band Neoangin, die mehrere CDs veröffentlichte.

Auf Einladung des Goethe-Instituts macht er derzeit Kurse mit einheimischen Künstlern. Im Sommer soll daraus auch eine Ausstellung in Berlin werden. Jamaika, Panama oder Guatemala: Avignon hat total unterschiedliche Länder trotz geografischer Nähe erlebt mit klimatischen Extremen, überraschenden Mentalitätsunterschieden und speziellen Alltagsproblemen – und immer neuen Überraschungen bei den Sessions mit den Künstlern. In Jamaika müssen erst mühselig Farben beschafft werden, um anschließend zu erleben, dass religiöse Eiferer Teile der Bilder überkleben und später auch die Polizei einfach als anstößig empfundene Stellen übermalt. Erschwerte Arbeitsbedingungen gibt es auch im schwülwarmen Panama, wo das Malen zur schweißtriefenden Schwerarbeit wird. „Das schlaucht extrem“, sagt Jim Avignon. Etliche Street-Art-Maler hätten ihn „enorm beeindruckt“, erzählt er: „Die schütteln tolle Motive einfach so aus dem Ärmel.“ Auf der Tour sorgt er dafür, dass die Künstler, die jeweils große Mauern bemalen, auch als Gruppe eine gemeinsame Arbeit zustande bringen und nicht nur Bilder nebeneinandergesetzt werden oder sich jemand benachteiligt fühlt.

Zwischen Lust und Frust ist alles drin auf seiner Tour, die noch bis Ende März weitergeht. Er wolle gerade die noch unbekannten, jungen Maler fördern. „Am Anfang bin ich für viele nur ein Gringo“, erzählt der 45-jährige Avignon. „Aber wenn die sehen, dass ich in der Hitze in verdreckten Klamotten mit ihnen gemeinsam an der Wand stehe und schwitze, dann ist das Eis gebrochen“, sagt er und muss lachen über das angesichts der Tropenhitze unpassende Sprachbild. Es helfe ihm auch sein großer Erfahrungsschatz – schließlich hat Avignon schon für British Airways ganze Flugzeuge bemalt oder eine 60 Meter lange Wand im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Er freut sich über die Arbeit mit Künstlern, die offen für neue Erfahrungen sind. Einer hat gesagt, „das sei die beste Woche meines Lebens“, erzählt Avignon.

Der rauchende Affe im Anzug ist in Costa Rica inzwischen eine landesweite Berühmtheit. Die TV-Sender berichteten, es gab Interviews, und seitdem die größte Zeitung des Landes den Affen in einem eigenen Cartoon verwendet, kennt die Figur jeder – und seinen Schöpfer ebenfalls. Und das von den Behörden verhängte Malverbot für die Künstler war nach einer bierreichen Frustnacht auch schon Geschichte. Der deutsche Botschafter in Costa Rica kam vorbei, um die gute Nachricht zu verkünden. Nur die anstößige Zigarette des Affen hat nicht überlebt: Der Künstler hat einfach einen Strohhalm daraus gemacht.

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