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Berlin: "Grippe oder Keuchhusten"

"Also wissen Sie was", sagt die Frau und stellt die Einkaufstüte ab, "die Wahl zwischen der Ampel und Rot-Rot ist für mich wie die Entscheidung zwischen Grippe und Keuchhusten." Am liebsten wäre der 49-jährigen Beamtin für Berlin eine Regierungsmehrheit wie im Bund gewesen: Rot-Grün.

"Also wissen Sie was", sagt die Frau und stellt die Einkaufstüte ab, "die Wahl zwischen der Ampel und Rot-Rot ist für mich wie die Entscheidung zwischen Grippe und Keuchhusten." Am liebsten wäre der 49-jährigen Beamtin für Berlin eine Regierungsmehrheit wie im Bund gewesen: Rot-Grün. "Bei der PDS darf man sich keine Illusionen machen: Gysi ist nicht die Partei. Deswegen empfinde ich die Ampel, nach der es jetzt aussieht, als das geringste Übel." So wie die Kundin bei Edeka am Fehrbelliner Platz haben diesmal viele in Charlottenburg-Wilmersdorf gestimmt und dem christdemokratischen Meinungsmonopol eine Absage erteilt. Wie stehen SPD-Wähler zu den Koalitionsverhandlungen? Ein Besuch in einer West-Hochburg und in Treptow-Köpenick.

Zum Thema Online Spezial: Berlin hat gewählt Nicht einfach, mit dem Wähler ins Gespräch zu kommen. Die Leute hetzen nach Hause, zur Arbeit. Keine Zeit, erst recht nicht für einen Wortwechsel mit Fremden. Wie die meisten will auch die Mitarbeiterin einer Senatsverwaltung mit Präferenz für die Sozialdemokratie zwar ihren Namen nicht in der Zeitung lesen, aber doch der Politik ins Gewissen reden. "Sparen muss auch die neue Regierung, aber bitte nicht mehr im Öffentlichen Dienst." Schon jetzt habe sie das Arbeitsvolumen von vier weggefallenen Kollegen übernehmen müssen. "Kein Wunder, dass das Betriebsklima schlecht ist und der Krankenstand hoch."

"Bei Wolle Wichtig essen Sie immer richtig", steht ein paar Schritte weiter an einem Imbiss auf dem Markt. "Ich misstraue der FDP und möchte sie nicht in der Regierung haben", sagt eine 35-jährige SPD-Wählerin und lässt die Chinanudeln kurz kalt werden. Doch auch für sie wäre der Schulterschluss von SPD und PDS "keine Alternative". Das sieht Bernd Hack anders - parteiloser PDS-Wähler aus Charlottenburg-Wilmersdorf. PDS, als alter West-Berliner? "Ja, die müssen in der Regierung unter Druck kommen und zeigen, was sie können." Für den 64-jährigen Juristen sind die Ampel-Gespräche nur "Taktik" - "ein Alibi, damit Wowereit doch mit der PDS reden kann".

Dann wäre Helmut Fechner nicht länger Genosse, damit hat der frühere SPD-Fraktionsgeschäftsführer aus Treptow-Köpenick schon gedroht. Kein Wunder, dass ihn das Grün-Licht für eine Ampel freut. Wenn sich aber künftig drei streiten, freuen sich nicht die anderen? Die Koalition werde Bestand haben, da ist sich Fechner sicher: "Die SPD hält aus bundespolitischen Gründen durch", Grüne und FDP mit Blick auf die kommende Bundestagswahl. "Wenn wir miteinander statt gegeneinander reden, kriegen wir das Ding hin" - so formuliert es Jürgen Radebold, aus Treptow-Köpenick für die SPD im Abgeordnetenhaus. Wichtig sei, auch ohne PDS-Beteiligung die innere Einheit Berlins zu vollziehen. "Das muss sich an den Personen zeigen, etwa beim Präsidenten des Abgeordnetenhauses."

Zurück im westlichen Stadtteil. Monika Kurth, 52, SPD-Wählerin aus Protest gegen Landowsky-Seilschaften, war klar, "dass die neuen Bundesländer wieder auf den alten Trip" kommen. "Aber egal: Vor der Wahl versprechen Politiker immer alles, und besser macht es doch keiner." Dann wiegt sie die Leine von ihrem Hund Jumping Jack nachdenklich in der Hand. "Machen wir uns doch nichts vor. Wegen der weltpolitischen Lage ist im Moment sowieso alles unsicher."

Annette Kögel

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