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Berlin: Große Allianz für hartes Durchgreifen

Alle Parteien unterstützen die Justizsenatorin, die kriminelle Jugendliche früher aus den Familien holen will

Parteiübergreifendes Lob für Justizsenatorin Karin Schubert (SPD): Ihre im Tagesspiegel erhobene Forderung, kriminelle oder gefährdete Kinder und Jugendliche unter Umständen aus ihren Familien herauszunehmen, wurde gestern nahezu einhellig begrüßt. Ebenso ihr Appell, dass Familiengerichte und Jugendämter besser kooperieren müssen. Die kritisierten Jugendämter gingen aber zum Teil auf Distanz zu der Senatorin.

„Das ist starker Tobak, wie Frau Schubert die Jugendhilfe angreift“, beklagte sich ihre Parteifreundin Sigrid Klebba, Jugendstadträtin von Friedrichshain-Kreuzberg. „Wir sind an Recht und Gesetz gebunden und können nur eingreifen, wenn das Kindeswohl nachweislich gefährdet ist.“ Es sei für Sozialarbeiter schwierig zu erkennen, wann ein Kind an dem Punkt sei, an dem man es aus seiner Familie nehmen müsse.

Ganz andere Töne kamen aus Neukölln. Klebbas Kollege Thomas Blesing (SPD) teilt die Ansicht Schuberts, dass Sozialarbeiter mitunter zu zögerlich von der Möglichkeit Gebrauch machten, Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre Kinder zu entziehen. Inzwischen habe aber ein Umdenken eingesetzt. Blesing weiß in seinem Bezirk von zwei derartigen Fällen, die gerade vor dem Familiengericht anhängig sind. Bei einem der Jugendlichen gehe es um einen stadtbekannten Serienstraftäter, der seine Familie verlassen soll.

Blesing ist damit auf einer Linie mit Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD). „Viele Kinder starten in den Familien ihre kriminellen Karrieren“, sagt Buschkowsky, der früher in der Senatsjugendverwaltung tätig war und mit schwer erziehbaren oder gefährdeten Jugendlichen zu tun hatte. Er bedauert noch heute, dass die geschlossenen Jugendheime in Berlin abgeschafft wurden und lobt Schubert, die zumindest jetzt härter durchgreifen will. „Wir haben die richtige Justizsenatorin“, schwärmte Buschkowsky, nachdem er Schuberts Interview im Tagesspiegel gelesen hatte. Geradezu „grotesk“ findet er es, dass der mutmaßliche Mörder des siebenjährigen Christian in Zehlendorf nicht aus seiner Familie herausgenommen wurde, weil er das „nicht wollte“, wie das Jugendamt später begründete. „Wozu ist das Jugendamt denn da?!“, ärgert sich der streitlustige Bürgermeister.

Die Jugendstadträtin von Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler (SPD) weist die Kritik zurück. Die Ämter würden vielfältig tätig und kooperierten zunehmend mit Schulen, Jugendgerichten und Polizei, betont Schöttler. Zu Schuberts Forderung sagt sie: „Es ist schwierig, wenn suggeriert wird, dass eine einzelne Lösung für alle Fälle zum Erfolg führt. So einfach ist das nicht.“

Jugendsenator Klaus Böger (SPD) hielt sich gestern bedeckt und betonte, dass er „weder die Rechts- noch die Fachaufsicht“ über die bezirklichen Jugendämter habe. Allerdings begrüßt er es, „wenn Jugendämter und Jugendrichter systematisch zusammenarbeiten“.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Uwe Goetze, erinnerte gestern daran, dass seit 2002 rund 169 Millionen Euro bei den Erziehungshilfen und der Familienförderung eingespart worden seien. Dies erschwere die präventive Arbeit der Jugendämter. Bei harten Fällen hält auch Goetze es für richtig, Kinder früh genug aus den Familien zu nehmen und ist damit nicht nur mit Schubert auf einer Linie, sondern auch mit Mieke Senftleben von der FDP und Elfi Jantzen von den Bündnisgrünen. Laut Jantzen scheuen aber viele Jugendämter diesen Schritt, weil sie früher in dem Ruf standen, zu häufig diesen Weg zu gehen. Andere Fachleute berichten, dass manche Jugendämter resigniert hätten, weil die Familiengerichte derartige Anträge generell abgelehnt hätten. Jetzt habe man eine Art „Lähmungszustand“.

Die Jugendpolitikerinnen Jantzen und Senftleben halten es aber nicht nur für geboten, in schweren Fällen die Kinder anderweitig unterzubringen. Sie plädieren auch dafür, dass die Schulen endlich von den Jugendämtern erfahren dürfen, welche Taten ein Schüler auf dem Kerbholz hat. Das müsse sich mit dem Datenschutzbeauftragten klären lassen, hofft Mieke Senftleben. Bildungssenator Böger plant nach eigenen Angaben inzwischen einen entsprechenden Vorstoß bei den Jugendämtern: „Das ist in Arbeit.“

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