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Berlin: Große Koalition, große Pointen

Die Bundesregierung schafft Hochkonjunktur – zumindest bei Kabarettisten Morgen laden Dieter Hildebrandt und Co. zu ihrem politischen Aschermittwoch in die Arena

Die Grenzen der Kultur werden immer durchlässiger. Niemand hätte geglaubt, dass sich beispielsweise der bis in die letze Kamelle rheinisch gefärbte Karneval in Berlin durchsetzen könnte – doch nun ist er da. Dass damit in der Hauptstadt auch sein schroffer Abschluss, der Aschermittwoch, an Bedeutung gewinnt, liegt auf der Hand. Doch das ist nicht das Verdienst der Politiker, die traditionell weiter in die bayerischen Bierhallen ausschwärmen und dort Klartext reden. In Berlin haben ihre natürlichen Feinde, die Kabarettisten, den Termin für sich besetzt: Altmeister Dieter Hildebrandt steht an der Spitze der Spötter-Riege, die am Mittwochabend um 20 Uhr in der Treptower Arena antritt, um den politischen Kehraus anzupacken.

Auch die anderen sind in der Berliner Szene gut bekannt: Volker Pispers, Arnulf Rating, Hagen Rether, Georg Schramm, Rainer Pause und Norbert Alich. Dies ist der zweite Anlauf nach der erfolgreichen Premiere im vergangenen Jahr, doch damals lagen die politischen Dinge völlig anders: „Wir wollten der CSU nicht die Lufthoheit über den Stammtischen überlassen“, sagte Arnulf Rating damals. Die CSU, entstoibert, ist längst nicht mehr, was sie einmal war. Dennoch könnte die Konjunktur für das politische Kabarett nicht besser sein. Die große Koalition verlangt schon deshalb nach massiver satirischer Gegenwehr, weil sie nun einmal da ist. Rether: „Jetzt regieren Pest und Cholera gemeinsam, früher hatten wir wenigstens noch die Wahl zwischen beiden.“

Themen gibt es reichlich, allerdings fehlt es an farbigen Gestalten, die mit Lust parodiert und gegebenenfalls vom Publikum auch sofort wiedererkannt werden können. Und die, die noch da sind, geben verschleißhalber nicht viel her: Die tausendste Angela-Merkel-hat-einegrässliche-Frisur-Nummer dürfte selbst im sozialdemokratischen Kernökotop kaum Lach-Orkane auslösen. Umgekehrt machen bunte Vögel wie Klaus Wowereit die Politik gern zum Kabarett, was die Grenzen verschwimmen lässt.

Und dann die ständig wechselnden politischen Fronten. Die kabarettnotorische Grundhaltung – SPD naja, CDU bäh – lässt sich an der real existierenden Koalition nur schwer in Reinkultur exerzieren. Und satirische Fundamentaloppositionelle aus Prinzip finden sich plötzlich an der Seite von Lieblings-Hassobjekten wie der FDP. Die zwiegespaltene Linkspartei barmt ja förmlich danach, von Satirikern zerlegt zu werden – doch ist das dann nicht schon wieder zu staatstragend? Selbst aktuelle außenpolitische Themen tragen den Kern des Missverständnisses in sich: Wie gehen Kabarettisten mit dem Islamismus und der Karikaturenaffäre um, ohne versehentlich amerikafreundlich zu wirken und ihren Lieblingsfeind George W. Bush allzu schonend zu behandeln? Georg Schramm hat seine Generallinie dazu schon angekündigt: Er verspricht eine Büttenrede zum Thema, „gnadenlos lustig, wie die christliche Fastennacht so ist“. Die Karikaturenaffäre ist für ihn eine „Geschichte, mit der man uns in einen Krieg im Nahen Osten hineinziehen will“. Allerdings lässt er offen, ob das nun eine ernst gemeinte islamistische Verschwörungstheorie ist oder nur ein satirisches Spiel mit drei- oder vierfachem Boden, den der Kabarettist möglicherweise unter den Füßen verliert. Wer mehr wissen will, muss hingehen und die Kabarett-Fundamentalisten auf ihrem Weg „von der Trostlosigkeit zur Hoffnungslosigkeit“ (Matthias Beltz) persönlich begleiten.

Der Kabarettistische Aschermittwoch findet morgen ab 20 Uhr in der Arena, Eichenstraße 4 in Treptow, statt. Infos unter www.arena-berlin.de.

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