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Sie sind dagegen: Zahlreiche Flughafen-Anwohner fühlen sich durch den Fluglärm belästigt. Sie fordern ein striktes Nachtflugverbot.

© dpa

Großflughafen BER: "Für die Politik wird es keine Ruhe geben"

In genau zwei Monaten öffnet der neue Großflughafen – und wie geht es mit den Protesten weiter? Der ehemalige Chef der ältesten Anti-Airport-Initiative Ferdi Breidbach glaubt, dass der Streit an Schärfe zunehmen wird.

Am 3. Juni soll BER in Betrieb gehen. Ihr langjähriger Kampf war vergebens.

Für den Bürgerverein Berlin-Brandenburg und für mich war der Kampf mit Sicherheit nicht vergeblich. Ich stelle mir vor, wie etwa der Lärmschutz oder die Nachtflugregelung heute aussehen würden wenn nicht gekämpft worden wäre. Es wird sie überraschen, wenn ich sage: Die Auseinandersetzungen beginnen erst. Einige hunderttausend Menschen merken erst nach dem 3. Juni, welche Folgen dieser Flughafen hat. BER ist wegen des Standorts, der die Menschen belastet und gesundheitlich gefährdet, absolut inakzeptabel.

Der Bürgerverein hat mit einer Vielzahl von Klagen vergeblich versucht, den Bau zu stoppen. Man kann also sagen, der Bau des Flughafens ist absolut rechtmäßig erfolgt und auch sein Betrieb erfolgt in Einklang mit der Rechtsprechung.

Was die Gerichte hier entschieden haben, hat nach meiner Auffassung mit Recht überhaupt nichts zu tun. Es ist vielmehr der Versuch den Landesregierungen von Brandenburg und Berlin Entscheidungen zu verrechtlichen, um damit den Menschen zu sagen, dieser Entscheidung habt ihr euch jetzt zu beugen. Die Rechtsprechung zu BER ist Wirtschaftsförderung. Schon die Nachtflugregelung mit noch nicht einmal fünf Stunden gesicherter Nachtruhe für über 200 000 Betroffene zeigt, wie Recht vergewaltigt wird, wenn Flugzeuge fliegen wollen. Darum nun die laufende Klage der Bürgerinitiativen vor dem Bundesverfassungsgericht.

Politik und Wirtschaft halten den Flughafen für entscheidend wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung der Region Berlin und Brandenburg.

Das ist unbestritten. Aber BER wird kein wirtschaftlicher Erfolg. Alles, was dort investiert wurde und wird, wird in einer Subvention durch den Steuerzahler enden. Warten Sie mal ab, wie die Endabrechnung aussieht und was noch an Folgen für den Lärmschutz kommen wird. Hätte man, wie es auch zahlreiche Investoren bis 1996 wollten, den Großflughafen in Sperenberg gebaut, dann wäre dort nur privates Kapital in Investment und Betrieb geflossen, der Flughafen schon Jahre in Betrieb.

"Die Flugrouten-Diskussion war eine massive politische Täuschung."

Sie halten Schönefeld weiterhin für den ungeeigneten Standort und plädieren für Sperenberg?

Nicht nur ich halte den Standort für ungeeignet und falsch. Das tun alle Experten.

Schönefeld wurde ja zwischenzeitlich selbst von Klaus Wowereit, Matthias Platzeck und selbst Bundesverkehrsminister Ramsauer als Fehlplanung eingestuft.

Das ist nicht ganz korrekt: Die genannten Politiker hätten sich damals eine andere Entscheidung gewünscht, stehen heute aber voll hinter dem Flughafen.

Sperenberg war in der Tat unbestritten der beste Standort. Warum Eberhard Diepgen und Manfred Stolpe 1996 wider besseren Wissens, aus bis heute nicht offengelegten Gründen, plötzlich Schönefeld und nicht Sperenberg wollten, ist bis heute im Dunklen.

Doch, er galt als zu berlinfern und zu schlecht zu erreichen.

Ja, könnte so sein! Aus der Sicht West-Berliner politischer Posemuckelmentalität galt schon Schönefeld als Ausland. Nur, ein Blick in die Welt hätte gereicht, um zu erfahren, dass in den letzten 50 Jahren weltweit kein Großflughafen mehr in Stadtnähe gebaut wurde. Überall weiß man um die Folgen von Flugbetrieb über dichter Besiedlung. Nur in Berlin und Brandenburg nicht. Das wird man nun spüren, vor allem die Betroffenen von Fluglärm und Umweltverschmutzung.

Ist ungeachtet der Kritik am Standort das Ergebnis der Flugrouten-Diskussion eine akzeptable Lösung für die Anwohner?

Die Flugrouten-Diskussion war eine massive politische Täuschung, ein Volksbetrug, weil der Eindruck erweckt wurde, dass man mit anderen Flugrouten den Fluglärm in der betroffenen Region beseitigen könnte. Diese Flugrouten-Diskussion ist vor allem von der Politik angezettelt worden, um die Menschen zu täuschen, sie auszuspielen in Befürworter und Gegner. Vom eigentlichen Problem des falschen Standorts wurde so erfolgreich abgelenkt. Denn nur wegen des Standorts gibt es Fluglärm über allen Erholungs- und Wohngebieten zwischen Gosen, Müggelsee und Ludwigsfelde in Ost-West Richtung und zwischen den südlichen Berliner Bezirken, Wannsee und Zossen im Landkreis Teltow Fläming. Herausgekommen aus der Flugroutenhuberei ist ein Fluglärmteppich in einer Länge von 70 Kilometern von Ost nach West und 30 Kilometern von Nord nach Süd.

In der Diskussion ist ja auch bereits, in Schönefeld irgendwann noch eine dritte Startbahn zu bauen.

Ich halte das nicht nur für eine Überlegung, sondern schon für eine noch vertuschte Planung. Jeder Fachmann sagt, dass man die genehmigten 360 000 und möglichen 550 000 Flugbewegungen nicht mit zwei Start- und Landebahnen bewältigen kann. Wenn die dritte Piste nach 2020 kommt, dann bin ich sicher, dass sich kein Politiker mehr in dieser Region sehen lassen kann, ohne seine körperliche Unversehrtheit aufs Spiel zu setzen. Es wird darum für die Politik keine Ruhe mehr geben. Die Menschen werden von Jahr zu Jahr wütender werden, weil sie mit der gewollten Zunahme des Flugbetriebs immer mehr belastet werden. Darum ist es jetzt höchste Zeit, den Menschen eine andere Perspektive zu geben: Diese Perspektive heißt Nachnutzung des Standortes Schönefeld und Neubau eines Großflughafens in Sperenberg.

Am Montagabend
Am Montagabend

© dapd

Sie gehen davon aus, dass die Menschen gegen den Flughafen aufbegehren, wenn sie erst mal vom Lärm belastet werden?

Ja. Das ist die Erfahrung an allen Flughafenstandorten in der Nähe von Besiedlungen. Schauen sie nur nach Frankfurt am Main, Zürich oder München. Ich bin sicher, dass sie es nicht klaglos hinnehmen wenn sie nur noch in Räumen leben können die bei geschlossenen Fenstern mit Ventilatoren belüftet sind. Menschen sind nicht mehr bereit, Belastungen auf sich zu nehmen, die immer mit den Totschlagbehauptungen Arbeitsplätze und Wirtschaftserfolg begründet werden. Der Flughafen Schönefeld ist dem Geist des vorigen Jahrhunderts entsprungen. Er passt darum mit all seinen negativen Folgen nicht in dieses Jahrhundert.

Es gibt Streit im Bürgerverein, Sie sind zurückgetreten. Ist jetzt Schluss mit Protesten?

Ich habe den Streit nicht ausgelöst und öffentlich gemacht. Ich habe auch meine Arbeit für den Verein nicht eingestellt, sondern nur meine Arbeit im und für den Vorstand. Der Protest geht weiter.

Das Gespräch führte Gerd Nowakowski. Ferdi Breidbach war Bürgermeister Diedersdorfs, bevor er Chef und später Ehrenvorsitzender des Bürgervereins Berlin-Brandenburg (BVBB) wurde. Nach Streit im Vorstand zog er sich aus dem Gremium zurück. Geboren wurde der 73-jährige im Rheinland. Von 1960 bis 1980 saß er für die CDU im Bundestag.

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